Kostenlawine bedroht neuen Berliner Flughafen

Berlin (dpa) - Auf den unvollendeten Hauptstadtflughafen rollt die nächste Kostenwelle zu. Die jüngste Terminabsage dürfte nach ersten Schätzungen mehrere hundert Millionen Euro kosten.

Allein die Luftverkehrsbranche erwartet, dass am Ende „leicht ein dreistelliger Millionenbetrag“ an Mehraufwendungen zusammenkommt. Der Grünen-Fraktionschef in Brandenburg, Axel Vogel, rechnet mit einer Summe von „500 Millionen Euro plus x“.

Über die Zusatzausgaben berät der Aufsichtsrat in einer Sondersitzung am Mittwoch kommender Woche. Dann will der Berliner Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) den Flughafen-Aufsichtsratsvorsitz an seinen Brandenburger Kollegen Matthias Platzeck (SPD) abgeben. Dagegen gibt es in der Bundesregierung Vorbehalte. Platzeck kann aber mit einer Mehrheit im Aufsichtsrat rechnen, weil dazu die Stimmen der Mitglieder aus Brandenburg und Berlin ausreichen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht die großen Probleme des künftigen Flughafens in Schönefeld mit Sorge. Sie sei „natürlich beunruhigt über Meldungen, die uns nun in regelmäßigen Abständen von der Baustelle erreichen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Es gebe „noch kein ausreichend belastbares Bild, um wirklich beurteilen zu können, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.“ Der Flughafen-Eröffnungstermin 27. Oktober wurde am Montag abgesagt, weil die gravierenden Probleme der Brandschutzanlage noch immer nicht im Griff sind.

Der Grünen-Politiker Vogel sagte, allein die Terminverschiebung werde wie beim letzten Mal mit rund 230 Millionen Euro zu Buche schlagen. Dann seien noch etwa 70 Millionen Euro für zusätzliche Investitionen am alten Airport Tegel einzuplanen, der voraussichtlich ein Jahr länger offen bleiben müsse. Hinzu kämen Beträge für Schallschutz und einen späteren Ausbau des neuen Airports. Ein Sprecher des Finanzministeriums in Potsdam sagte: „Eine Aussage zu den Mehrkosten ist nach Feststellung eines neuen Inbetriebnahmetermins möglich.“

Der Flughafenexperte und Ingenieur Dieter Faulenbach da Costa hält das Terminal schon jetzt für zu klein. Ein Ausbau mit mehr Abfertigungsschaltern und Gepäckausgabebändern und größeren Flächen würde „drei bis vier Milliarden Euro“ kosten, sagte er der dpa.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, wies darauf hin, dass Air Berlin bereits eine Feststellungsklage gegen den Flughafenbetreiber eingereicht habe. Auch die Lufthansa halte Schadenersatz für möglich, sagte Siegloch im Deutschlandfunk. Die Bahn habe „Einbußen in Millionenhöhe zu verzeichnen“, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Das Unternehmen betreibt die Strecke zum Airport und den unterirdischen Terminal-Bahnhof.

Die Kosten für den Flughafen lagen bei der jüngsten Kalkulation bei 4,3 Milliarden Euro. Anfang Dezember war der Mehrkostenrahmen von 1,2 Milliarden Euro bestätigt worden. Darin enthalten sind rund 480 Millionen Euro, die durch die Verschiebung der Eröffnung und den Weiterbetrieb der beiden alten Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld bis Oktober 2013 erwartet wurden.

Die Brandschutzanlage, deren Probleme der Grund für die Terminabsage sind, wird nach Worten des zuständigen Landrats im Landkreis Dahme-Spree, Stefan Loge, im jetzigen Zustand nicht genehmigt. Die Flughafengesellschaft müsse entweder einen neuen Bauantrag stellen oder die vorhandene Brandschutzanlage entfernen und eine neue installieren, sagte Loge im Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB).

Bei der Aufsichtsrats-Sondersitzung steht Flughafenchef Rainer Schwarz vor der Ablösung. Es gibt bereits Forderungen, dass er auf mögliche Abfindungszahlungen verzichtet. Stattdessen solle der vermutlich siebenstellige Betrag notleidenden Mietern auf dem neuen Hauptstadtflughafen zugutekommen, die wegen der erneuten Eröffnungsverschiebung vor der Insolvenz stünden, sagte der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner der Berliner Tageszeitung „B.Z.“ (Donnerstag). Nach Angaben des regionalen Handelsverbandes ist aber noch keiner der 80 Flughafen-Mieter abgesprungen.

Bei der geplanten Rochade im Aufsichtsratsvorsitz der Betreibergesellschaft hat der Bund seine Position noch nicht endgültig festgelegt. Die Frage zum Abstimmungsverhalten bei der anstehenden Entscheidung könne er nicht beantworten, sagte ein Sprecher des federführenden Verkehrsministeriums. Im Finanzressort gibt es nach Informationen der dpa aus Ministeriumskreisen und der Wochenzeitung „Die Zeit“ Vorbehalte, dass Platzeck den Vorsitz von Wowereit übernimmt. Stattdessen solle ein unabhängiger Experte aus der Wirtschaft Chef des Gremiums werden, hieß es.

Der Aufsichtsratschef wird aus der Mitte des Kontrollgremiums mit einfacher Mehrheit gewählt. Von den 15 Mitgliedern kommen je vier aus den Ländern Berlin und Brandenburg, zwei vom Bund und fünf sind Arbeitnehmervertreter.

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