Koalition will Betriebe stark und Bürger leicht entlasten

Berlin (dpa) - Bürger und Betriebe sollen von lästigem Papierkram verschont und durch ein einfacheres Steuerrecht finanziell entlastet werden. Hauptprofiteur ist die Wirtschaft mit einer Kostenersparnis von 4 Milliarden Euro durch Bürokratieabbau.

Für die Beschäftigten soll es Steuerermäßigungen von insgesamt 590 Millionen Euro geben. Das geht aus einem 41-Punkte-Papier der schwarz-gelben Koalition hervor, das sie bei ihrem letzten Spitzentreffen in diesem Jahr am Donnerstagabend im Kanzleramt beschließen wollte. Allerdings kommt nur ein Teil der 22 Millionen Arbeitnehmer in den Genuss davon.

Ferner wollten Union und FDP die Bundeswehrreform mit Aussetzung der Wehrpflicht und Reduzierung der Truppe um ein Viertel auf 185 000 Soldaten billigen. Keine Lösung war beim Fachkräftemangel abzusehen.

Die SPD sprach bei der geplanten Entbürokratisierung und den Steuervereinfachungen von einer „aufgepumpten Aktion“. SPD- Fraktionsvize Joachim Poß sagte: „Die einfach behaupteten 4,5 Milliarden Euro Ersparnis an Bürokratiekosten sind der Versuch, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.“ Das sei eine „hochgerechnete Größe“. Die angekündigten großen Vorhaben kämen nicht.

Die Regierung hatte umfangreiche Steuerentlastungen wegen der Sanierung der Staatskasse vertagt. Stattdessen soll das komplizierte deutsche Steuerrecht schrittweise entschlackt werden.

Die 590 Millionen Euro durch Steuervereinfachungen für Arbeitnehmer werden dem Staat an Einnahmen fehlen. Der wesentliche Punkt ist dabei die Erhöhung der Werbungskostenpauschale von 920 auf 1000 Euro im Jahr. Allein dies kostet den Staat 330 Millionen Euro. Der Nutzen für Arbeitnehmer und Finanzämter ist umstritten. Nach Angaben des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) belaufen sich die Vorteile für die Bürger damit bestenfalls auf 36 Euro im Jahr. Erleichterungen soll es auch beim Kindergeld und bei der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten geben.

Betriebe sollen etwa Rechnungen per E-Mail verschicken können und dadurch Porto-Kosten sparen. Die Finanzämter sollen auf zahlreiche Detailregelungen und schriftliche Belege verzichten. Auch die Steuerzahler sollen nicht mehr so viele Belege einreichen müssen. Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union und Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach sagte, die Aufbewahrungsfrist für handels- und steuerrechtliche Unterlagen soll auf fünf Jahre halbiert werden.

Bei der Aussetzung der Wehrpflicht sahen Bildungspolitiker der Union noch Schwierigkeiten mit dem von Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) gewünschten Termin 1. Juli 2011. Sie halten das Datum für sehr früh, weil zugleich die Weichen für einen Ausbau der Studienplätze und den Start des neuen freiwilligen Wehr- und Zivildienstes gestellt werden müssen.

Union und FDP waren weiter uneins, wie mehr ausländische Fachkräfte beschäftigt werden können, um Engpässe in Deutschland abzufedern. Die FDP will dafür die Mindesteinkommensgrenze für qualifizierte Kräfte aus dem Ausland von heute 66 000 Euro auf 40 000 Euro absenken. Das lehnen CDU und CSU ab.

Ferner geht es um die sogenannte Vorrangprüfung, durch die deutsche Unternehmen zunächst nach Experten im Inland suchen müssen. Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Anders als es die aktuelle Debatte glauben macht, haben wir bereits sehr großzügige Regelungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte.“

Die CSU zeigte sich offen für den Plan von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), in bestimmten Branchen diese Vorrangprüfungen für heimische Arbeitskräfte auszusetzen.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: „Kluge Köpfe sind besonders wichtig. Da schlummert bei uns im Inland noch viel Potenzial (...) Gleichzeitig brauchen wir bei der Zuwanderung ein intelligentes Gesamtkonzept.“ Die Politik habe für die richtigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu sorgen - „und zwar ohne ideologische Vorbehalte, auch beim Thema Fachkräftemangel“.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte im Deutschlandfunk, es gehe nicht um neue Zuwanderung in die Sozialsysteme, sondern um hoch produktiver Arbeitnehmer, die den deutschen Sozialstaat mitfinanzierten. „Wir werden nicht jeden Langzeitarbeitslosen zu einem hoch qualifizierten Ingenieur weiterqualifizieren können.“

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