Klinikschließungen - Kassenchef sorgt für Empörung

Berlin/Stuttgart (dpa) - Rote Zahlen, Insolvenzen, Fachkräftemangel - als hätten die Kliniken nicht schon genügend Probleme.

Jetzt sorgt der Chef der größten Krankenkasse Barmer GEK, Christoph Straub, mit seiner Forderung, Kliniken aus Kostengründen zu schließen, für neues Ungemach - und heftige Emotionen bei den Betroffenen. „Die Kliniken haben ihre Hausaufgaben gemacht“, kontert Thomas Reumann vom Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Sie seien keineswegs die Kostentreiber im Gesundheitswesen, sondern schon „wie eine Zitrone“ ausgepresst. Straubs Forderung sei „völlig daneben“.

Straub hatte der „Welt“ gesagt: „Es gibt heute zu viele Krankenhäuser und vor allem zu viele Krankenhausbetten“. Und: „Wir leisten uns Strukturen, die größer und teurer sind als in anderen Ländern.“ In einer späteren Mitteilung betonte er, es gehe ihm nicht um Klinikschließungen, sondern um Strukturreformen. Insbesondere die Zahl ambulanter Versorgungsangebote an Kliniken müsse erhöht werden. „Das ist keine Einzelmeinung“, heißt es beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung. Sprecher Florian Lanz verweist darauf, dass jedes fünfte Krankenhausbett in Deutschland leer stehe. Doch wie diese Betten abgebaut werden - also ob dafür Kliniken geschlossen werden müssen - solle vor Ort entschieden werden.

Die Zahlen scheinen Reumann zu bestätigen: Deutschlandweit gab es 2010 rund 2064 Krankenhäuser, 178 weniger als zehn Jahre zuvor. Die Zahl der Betten nahm in dieser Zeit von fast 600 000 auf knapp 503 000 ab. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Behandlungsfälle - mit leichten Schwankungen - von 17,3 auf 18 Millionen.

Da die niedergelassenen Ärzte auf dem Land immer seltener werden, erbringen Kliniken bereits 40 Prozent der kassenärztlichen Notfallversorgung, erläutert Reumann, der auch Chef der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft ist. Die Kassen sollten nicht an den Kliniken sparen, sondern ihre Schatullen öffnen. Statt der ursprünglich prognostizierten Milliardendefizite hätten sich Überschüsse bei den Kassen von 3,5 Milliarden Euro angehäuft. „Da die Patienten langsam unter dem Mangel an persönlicher Zuwendung leiden, müsste das Geld in das Personal gesteckt werden.“

Laut Krankenhausgesellschaft sind rund 65 Prozent der Kliniken in Deutschland in die roten Zahlen gerutscht oder weisen keinen Gewinn aus. Im Südwesten hätten im vergangenen Jahr vier Kliniken Insolvenz angemeldet. Die Schere zwischen Kosten und Einnahmen gehe immer weiter auseinander: Man gehe für 2012 von 4,5 Prozent mehr Einkommen für die Beschäftigten aus bei einer auf 1,48 Prozent gesetzlich gedeckelten Einnahmeerhöhung. In Baden-Württemberg ergebe dies einen Gesamtfehlbetrag von 210 Millionen Euro oder von 700 000 Euro pro Krankenhaus, erklärt Reumann.

Die Kommunen sehen durch Klinikschließungen vor allem die Versorgung der Menschen auf dem Land gefährdet. „Wir haben auf dem Land keine Überversorgung, zum Teil sogar eine Unterversorgung“, sagte Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Die Menschen müssten in zumutbarer Nähe ärztliche Hilfe finden, das sei auch mit Blick auf die immer älter werdende Gesellschaft wichtig. „Die Versorgungssicherheit muss überall gewährleistet bleiben, sonst gibt es eine Zwei-Klassen-Versorgung auf dem Land und in der Stadt.“

Auch in Großstädten stößt die Forderung auf Widerstand. So weist die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit darauf hin, dass es in der Hauptstadt 1991 noch 104 Krankenhäuser mit rund 39 900 Betten gegeben habe - 2010 nur noch 79 Kliniken mit etwa 19 800 Betten.

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