Kein Anhaltspunkt für Anschlag auf Reichstag

Wollte ein Österreicher einen Terroranschlag auf den Berliner Reichstag verüben? Es gibt einen Verdächtigen - doch keine handfesten Belege für ein geplantes Attentat.

Wien/Berlin (dpa). Die Wiener Staatsanwaltschaft prüft noch, doch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist bereits sicher: Nach der Festnahme eines zum Islam konvertierten Österreichers gibt es keine ernsthaften Hinweise auf einen geplanten Terrorangriff auf den Berliner Reichstag. „Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für konkrete Vorbereitungen eines Anschlags in Deutschland“, sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde der Nachrichtenagentur dpa am Samstag.

Die Bundesanwaltschaft wies damit einen Verdacht der österreichischen Strafverfolger zurück. Die Staatsanwaltschaft in Wien prüfe, ob der am Mittwoch verhaftete 25-Jährige ein vollbesetztes Passagierflugzeug in den Reichstag steuern wollte, sagte die Chefin der Anklagebehörde, Marie-Louise Nittel, am Samstag im ORF-Sender Ö1.

Sie bestätigte damit einen Bericht der „Kronenzeitung“. Danach soll der zum Islam konvertierte Österreicher seit Monaten am Flugsimulator für ein Attentat nach dem Vorbild der Anschläge vom 11. September trainiert haben. Schaltzentrale der Aktion sei seine Altbau-Mietwohnung im Wiener Stadtteil Fünfhaus gewesen.

„Der Verdacht war ursprünglich vorhanden, die bisherigen Ermittlungsergebnisse haben ihn jedoch nicht bestätigt. Die Ermittlungen stehen erst am Beginn und werden ganz intensiv fortgesetzt werden“, sagte Nittel. „Selbstverständlich“ werde diesem Verdacht noch weiter nachgegangen, ergänzte sie auf Nachfrage. Nach dem Interview war sie bis zum Abend nicht mehr erreichbar.

Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums wird der Festgenommene der terroristischen Vereinigung „Deutsche Taliban Mudschahedin“ (DTM) zugerechnet. Die im Zeitungsbericht geschilderten Anschlagspläne wollte Ministeriumssprecher Rudolf Gollia auf dpa-Anfrage aber nicht kommentieren.

Der per Haftbefehl gesuchte 25-Jährige war bereits am Mittwoch in der österreichischen Hauptstadt festgenommen worden. Zeitgleich wurden zwei Männer und eine Frau am Wiener Flughafen Schwechat gestoppt. Sie wollten nach Ermittlungen der Behörden nach Pakistan, um dort an einem Terrorausbildungscamp teilzunehmen.

Der 25-jährige Hauptverdächtige soll das organisiert haben. Während die Reisegruppe inzwischen wieder freigelassen wurde, befindet sich der Hauptverdächtige weiter in Haft. Er wird der „finanziellen und persönlichen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ verdächtigt.

Die Bundesanwaltschaft versicherte, sie habe den 25-Jährigen und die drei Personen, die am Mittwoch zeitgleich mit ihm in Wien gefasst worden waren, selbst im Blick gehabt. Es gebe auch in Deutschland ein Ermittlungsverfahren gegen diese Gruppe - aber nicht wegen konkreter Terrorpläne, sondern wegen des Verdachts auf Unterstützung militanter Dschihadisten.

Bereits im November 2010 hatten die deutschen Sicherheitsbehörden Hinweise darauf, dass Islamisten einen Anschlag auf den Reichstag ins Auge gefasst haben könnten. Daraufhin waren die Sicherheitsmaßnahmen am Parlamentsgebäude deutlich erhöht worden.

Bereits am 31. Mai war ebenfalls in Wien ein 26-jähriger Berliner Islamist festgenommen worden, gegen den in Deutschland laut Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der DTM ermittelt wird. Zu Einzelheiten wollte sich die Behörde nicht äußern, da das Auslieferungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Nach Informationen der „Berliner Morgenpost“ (Samstag) trat der Deutsch-Türke Yusuf O. in mehreren Propagandavideos als vermummter Gotteskrieger auf. Im September 2009 habe er konkret mit Anschlägen in deutschen Großstädten gedroht, sollte die Bundeswehr den Afghanistan-Einsatz nicht beenden. Zuvor - im Frühjahr 2009 - sei er nach Pakistan gereist, wo er sich im Grenzgebiet zu Afghanistan der Terrorgruppe DTM angeschlossen habe, heißt es in dem Bericht.

In Berlin wiederum wurde Mitte Mai der 21-jährige Österreicher Maqsood L. gefasst, der ebenfalls der DTM zugerechnet wird. Er soll versucht haben, Mitstreiter für den militanten Dschihad zu gewinnen. Gegen ihn erging inzwischen Haftbefehl.

Die Bundesanwaltschaft sieht keine direkte Verbindung zwischen den drei Männern. „Es gibt keine strafrechtlichen relevanten Zusammenhänge“, betonte der Sprecher der Behörde. Das österreichische Innenministerium hatte hingegen vorher Verbindungen zwischen allen dreien gezogen.

Die „Deutschen Taliban Mudschahedin“ wollen in Afghanistan eine religiös-fundamentalistische Gesellschaftsordnung errichten. Sie verüben laut Bundesanwaltschaft Anschläge auf afghanische und pakistanische Regierungstruppen und auch auf Mitglieder der internationalen NATO-Schutztruppe ISAF. Wegen der Beteiligung der Bundeswehr an dem Militäreinsatz der Nato ist auch Deutschland ins Visier der Gruppe geraten.

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