
SPD-Parteichef Martin Schulz: «Keine Option ist vom Tisch.» Foto: Kay Nietfeld
dpaSPD-Parteichef Martin Schulz: «Keine Option ist vom Tisch.» Foto: Kay Nietfeld
Berlin (dpa) - Noch bevor Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition überhaupt in Gang gekommen sind, ist der Streit von Union und SPD über das Unkrautgift Glyphosat eskaliert. Die Sozialdemokraten sind empört.
Nach mehrfachen Enthaltungen votierte Deutschland auf Geheiß des CSU-geführten Agrarministeriums für eine weitere EU-Zulassung des umstrittenen Mittels - gegen den ausdrücklichen Willen der SPD. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles nannte das Votum einen «schweren Vertrauensbruch».
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) protestierte scharf gegen das Vorgehen des Agrarministeriums. Sie habe Ressortchef Christian Schmidt (CSU) vorher eindeutig erklärt, mit einer Verlängerung weiterhin nicht einverstanden zu sein. Es sei daher klar gewesen, dass Deutschland sich erneut hätte enthalten müssen. Glyphosat ist ein sehr wirksames Unkrautgift. Einige Wissenschaftler sehen jedoch ein Krebsrisiko.
Mit Blick auf eine Neuauflage der großen Koalition fügte die geschäftsführende Umweltministerin Hendricks hinzu: «Jeder, der an Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert ist, kann sich so nicht verhalten.»
Nach dem Scheitern der Sondierungen von Union, Grünen und FDP gelten eine Neuauflage der großen Koalition sowie eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung als mögliche Alternativen zur Neuwahl.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte der SPD erst am Montag faire Gespräche über eine Koalition angeboten und Schwerpunkte einer künftigen Regierung benannt. Zugleich signalisierte sie intern, notfalls auch eine Minderheitsregierung führen zu wollen. Dies gelte unter der Voraussetzung, dass Gespräche über die Neuauflage einer großen Koalition nicht erfolgreich seien, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) unter Berufung auf Parteikreise.
Demnach sagte Merkel im Parteivorstand, dass sie eine Minderheitsregierung nicht anstrebe, diese im Vergleich zu Neuwahlen aber immer noch die bessere Alternative wäre. Die Kanzlerin hatte in den vergangenen Tagen wiederholt betont, dass sie eine stabile Regierung wolle und deswegen nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung eine Neuauflage der großen Koalition anstrebe. Eine vorgezogene Neuwahl will Merkel unbedingt vermeiden.
Nach ersten Forderungen aus der SPD für eine künftige Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik hob Merkel hervor, dass es Themen mit «größerer Dringlichkeit» als vor vier Jahren gebe. Sie nannte das «Auseinanderfallen der Lebenswirklichkeit», das viele Menschen befürchteten, die Wohnungsnot in Ballungsräumen sowie die Angst in dünn besiedelten Regionen, vom öffentlichen Personennahverkehr, der medizinischen Versorgung und Schulen abgeschnitten zu sein. Darauf werde eine neue Regierung in den nächsten vier Jahren Antworten geben müssen. Auch machten drängende europäische und internationale Fragen die Bildung einer stabilen Regierung nötig.
Kommentar
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