Halbzeit beim Klimagipfel in Mexiko

Cancún (dpa) - Halbzeit beim Klimagipfel in Cancún: Jetzt reisen die Minister zur entscheidenden Runde an. Erste Detailabkommen sind schon vorangeschritten, aber der Kernpunkt - ein Nachfolgeabkommen zum Kyotoprotokoll - ist völlig offen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen wird am Dienstag erwartet.

Japan mit Russland und Kanada hatten in scharfem Ton ein Kyoto-Nachfolgeabkommen abgelehnt, falls die USA und China nicht mitmachen. Die USA aber sind schon dem Kyotoprotokoll nicht beigetreten. Der US- Delegationsleiter Todd Stern bekräftigte in Cancún zwar, die Regierung wolle am 17-Prozent-Reduktionsziel (2005 bis 2020) festhalten. Die USA sind aber weit von Eintritt in ein neues, bindendes Kyoto-Nachfolgeabkommen entfernt. „Was wir brauchen ist ein ausbalanciertes Paket“, sagte Stern. „Und ich glaube wir schaffen das.“

Denkbar sind Grundrisse für zwei Verträge: Ein Nachfolgeabkommen für Kyoto und ein neues, auf der Rio-Konvention von 1992 basierendes Papier. Zum dritten könnte es ein neues, gemeinsames Abkommen geben, das weder die Struktur noch den Namen von Kyoto enthält. Vor allem die Entwicklungsländer möchten jedoch an dem Kyoto-Prozess festhalten, weil die Struktur des Protokolls vergleichsweise hart und bindend ist. „Hier liegt eine der Hauptbaustellen“, sagte der Deutsche Verhandlungsführer Karsten Sach.

Auch wenn der vertragliche Rahmen noch unklar war, ging die Arbeit an Einzelpunkten in Cancún voran. Mehrere am Wochenende vorgelegte Entwürfe der Arbeitsgruppen trafen jedoch auf harte Kritik der Klimaschützer.

Insbesondere beim Waldschutz sollten noch große Schlupflöcher geschlossen werden, meinte Christoph Bals von der Organisation Germanwatch. So dürften sich Länder Europas nach dem derzeitigen Entwurf Holzprodukte und sogar Papier zum Teil als Klimaschutz anrechnen lassen. In den Tropen werde man dafür belohnt, ein Stück Wald zu schützen, selbst wenn die Abholzung auf dem Rest der Waldfläche weitergehe.

In der Nacht zum Sonntag wurde ein Entwurf bekannt, wonach die Industrieländer Kohlendioxid (CO2) aus Kohlekraftwerken in Entwicklungsländern im Erdboden lagern dürfen und sich dies auf ihr eigenes Klimaziel anrechen lassen können. Über den Umgang mit der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) müssen nun die Minister entscheiden. „Dies hieße de facto, dass die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas in den Entwicklungsländern mit Geldern aus dem Klimaschutz gefördert werden - eine Pervertierung des Klimaschutzgedankens“, kritisierte Martin Kaiser von Greenpeace.

Nach Analysen des UN-Umweltprogramms Unep reichen die bislang auf den Tisch liegenden freiwilligen, nationalen Reduktionsziele bis 2020 zudem nicht aus, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die Vorschläge würden zu einem jährlichen Ausstoß aller Treibhausgase führen, der 49 Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr entspreche. Nötig seien aber 44 Gigatonnen, um die Erderwärmung in einem halbwegs erträglichen Rahmen zu halten. Nach Auffassung des UN-Programm könne eine weltweit bessere Nutzung von Treibhausgasen aus Mülldeponien zu Stromerzeugung einen Teil der 5-Gigatonnen-Lücke schließen.

Der EU-Verhandlungsleiter Artur Runge-Metzger sieht dennoch gute Chancen für einen Erfolg des Klimagipfels von Cancún. „Der Druck ist sehr groß“, sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Ein Scheitern würde den gesamten UN-Prozess infrage stellen. Die erste Woche sei sehr konstruktiv verlaufen, auch wenn es einige Aggressionen gebe.

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