Generalbundesanwalt: NSU und NPD eng verflochten

Karlsruhe (dpa) - Bei den Ermittlungen gegen mutmaßliche Neonazi-Terroristen verdichten sich Anzeichen auf Kontakte zur NPD. Generalbundesanwalt Harald Range rechnet mit weiteren Belegen für die Nähe der Zwickauer Terrorzelle zu der rechtsextremen Partei.

Die Festnahme des früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben am Dienstag weise in diese Richtung, sagte Range am Donnerstag in Karlsruhe bei der Präsentation eines öffentlichen Fahndungsaufrufs.

Wohlleben gilt als möglicher Helfer bei der Mordserie der Terrorgruppe. Seine Verhaftung hat die Debatte um ein NPD-Verbot weiter angefacht. Range stellte aber klar, dass die Bundesanwaltschaft nicht gegen die NPD ermittelt, sondern gegen einzelne Personen, von denen die eine oder andere der NPD nahesteht. Es sei Aufgabe der Politik, daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte bereits am Mittwoch erklärt, dass Beziehungen zwischen Terroristen und der NPD ein wichtiges Argument für ein neues Verbotsverfahren darstellten. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis zur Innenministerkonferenz am 8. und 9. Dezember die juristischen Details klären.

Die Fahnder hätten noch eine Handvoll weiterer Verdächtiger im Blick, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, und ist überzeugt: „Wir werden noch weitere Beziehungen zur NPD entdecken.“ Offen ist, ob dies auch auf einen Mann zutrifft, der zurzeit im Fokus steht. Er soll den Terroristen seine Ausweispapiere zur Verfügung gestellt haben. Allerdings sei die Beweisführung nicht einfach. Range deutete an, dass der Verdächtige seine Unterstützung abstreitet und angibt, er habe seine Ausweise verloren.

Von den Fahndungsplakaten erhoffen sich die über 400 Ermittler und 10 Staatsanwälte Aufschlüsse über Hintermänner und Unterstützer der Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Ihr werden zehn Morde, ein Mordversuch, zwei Bombenanschläge und mindestens 14 Banküberfälle mit einer Gesamtbeute von mehr als 600 000 Euro zur Last gelegt. Bislang seien erst knapp 250 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen, sagte Ziercke.

Den Ermittlern sei es noch nicht gelungen, die Stationen der Terroristen lückenlos nachzuvollziehen. Zudem müssten tausende alte Fälle mit möglichem rechtsradikalen Hintergrund auf Verbindungen zu der Terrorzelle geprüft werden. Ziercke setzt darauf, dass sich Zeugen melden, die Informationen über Wohnungen oder mögliche Arbeitsstellen der Verdächtigen beitragen können. Aber auch Begegnungen auf Park- oder Campingplätzen könnten Aufschluss geben. „Jeder Hinweis ist uns wichtig.“ Es sei durchaus denkbar, dass weitere Straftaten auf das Konto der Terroristen gehen.

Die entscheidenden Spuren ergeben sich nach Zierckes Angaben bislang hauptsächlich aus der Auswertung von rund 2500 Beweisstücken, die vor allem in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung der Terrorzelle gefunden wurden. „Das ist ein glücklicher Umstand.“ So sei es gelungen, 56 Fahrzeuganmietungen nachzuvollziehen, davon etwa ein Drittel Wohnmobile. Etliche Mietzeiträume passten mit Tatzeitpunkten zusammen.

Auch in diesem Zusammenhang könnten Zeugen wichtige Details liefern, sagte Ziercke. Dem Bundeskriminalamt seien bereits einige Fotos und Videos von Menschen zugeschickt worden, die sich mit den Verdächtigen bei Urlauben angefreundet hätten. Diese Bilder würden zum Teil auch für die Fahndung verwendet.

Range wies erneut Spekulationen zurück, der Verfassungsschutz habe Kontakte zur Terrorzelle unterhalten. Dafür gebe es bislang keine Anhaltspunkte. Keine Angaben wollte er dazu machen, ob die Hauptverdächtige Beate Zschäpe sowie die drei ebenfalls in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen Unterstützer bereits ausgesagt haben. Die Frage nach einer Anwendung der Kronzeugenregelung für Zschäpe stelle sich derzeit nicht.

Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer sagte, er habe nur „in höchst begrenztem Umfang“ Akten von der Bundesanwaltschaft erhalten. Deshalb könne er noch nicht entscheiden, ob sich seine Mandantin zu den Vorwürfen äußern werde. Bislang sei ihm nicht klar, „worauf die Ermittlungsbehörden den dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Frau Zschäpe stützen“. Heer mahnte ein faires Verfahren an: „Ich finde es höchst bedenklich, dass die Öffentlichkeit umfassend informiert wird, während die Verteidigung nur äußerst begrenzte Informationen erhält.“

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu traf am Donnerstag in Hamburg mit Angehörigen eines türkischen Gemüsehändlers zusammen, der 2001 von der Terror-Zelle ermordet worden war. Dabei sagte der Minister den Familienmitgliedern seine Unterstützung zu.

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