Umbau des Gesundheitswesens Gebühr, damit der Patient nicht eigenmächtig zum Spezialisten geht

Petra Thürmann vom Helios Klinikum Wuppertal möchte, dass die Fehlversorgung im Gesundheitswesen endet.

Umbau des Gesundheitswesens: Gebühr, damit der Patient nicht eigenmächtig zum Spezialisten geht
Foto: Alois Müller

Wuppertal. Der Sachverständigenrat hat ein Gutachten zum Umbau des Gesundheitswesens vorgelegt. Wir sprachen darüber mit Prof. Petra Thürmann. Sie gehört dem Rat an und ist Ärztliche Direktorin am Helios Klinikum Wuppertal.

Was spricht für eine Kontaktgebühr, wenn Patienten ohne Überweisung zum Facharzt gehen?

Petra Thürmann: Patienten in Deutschland suchen viel häufiger Fachärzte auf als in vielen anderen Ländern. Mit vermeintlichen Rückenschmerzen gehen sie zum Orthopäden, ohne dass vorher ein Hausarzt geprüft hat, ob es nicht zum Beispiel ein Problem an den Nieren ist. Oft ist die eingeleitete Diagnostik aufwendig und teuer. Der Orthopäde wird eine Bildgebung veranlassen, vielleicht sogar an der Wirbelsäule etwas finden. In der Zwischenzeit wird der Patient Schmerztabletten einnehmen, die schlimmstenfalls die Niere schädigen. Es wird dauern, bis das eigentliche Problem gefunden wird. Die Kontaktgebühr könnte einige Patienten davon abhalten, sofort zum Spezialisten zu gehen.

Wie hoch sollte eine solche Gebühr sein?

Thürmann: Über die Höhe haben wir keine Vorschläge gemacht. Ich persönlich denke zwischen 10 und 20 Euro.

Der Sachverständigenrat möchte die Rolle des Hausarztes als Lotse für die Patienten stärken. Warum?

Thürmann: Der Hausarzt als Lotse ist in unserem sehr komplizierten Gesundheitssystem gerade für Menschen mit vielen und chronischen Erkrankungen wichtig. Günstige Tarife bei den Kassen würden diejenigen Patienten belohnen, die sie in Anspruch nehmen. Wir wollen erst das ausschöpfen, bevor wir an „Strafe“ durch Gebühren denken.

Sie schlagen vor, dass vor Operationen eine zweite Arzt-Meinung eingeholt werden muss. Wie soll das in der Praxis aussehen?

Thürmann: Es gibt einige Operationen, zum Beispiel Gelenkersatz und Wirbelsäule, die werden in Deutschland häufiger durchgeführt als in vielen anderen Ländern. Der Zeitpunkt einer solchen OP und ob sie überhaupt durchgeführt wird, das ist offenbar nicht 100-prozentig definiert. Auch sehen wir, dass in manchen Regionen Deutschlands erheblich mehr operiert wird als in anderen. Das kann keiner medizinisch erklären. Eine unabhängige Zweitmeinung von jemandem, der die OP nicht ausführen wird, führt nicht selten dazu, dass der Patient es noch einmal mit anderen Methoden versucht. Und wenn er sich operieren lässt, dann hoffentlich in einer Klinik, wo die Operation sehr oft gemacht wird. Erfahrungsgemäß ist das Ergebnis bei den Kliniken am besten, die eine bestimmte Operation häufig machen. Der Zweitmeinungsarzt könnte über die Fachgesellschaft und/oder Landesärztekammer geregelt werden.

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