Gabriel sichert seine Macht

Der Parteichef geht schon seit geraumer Zeit auf Distanz zu Generalsekretärin Andrea Nahles. Die konnte bislang nicht überzeugen.

Berlin. Natürlich musste diese Inszenierung für die Kameras sein: Sigmar Gabriel dankt Andrea Nahles auf dem SPD-Parteitag für zwei Jahre Kooperation zwischen Parteivorsitzendem und Generalsekretärin. Es soll herzlich wirken, aber tatsächlich ist es ein kühl kalkulierter Auftritt vor wenigen Wochen auf der Parteitagsbühne in Berlin.

Die Zurücksetzung durch den Parteichef hat die 41-Jährige wohl registriert. Ihr war das im ersten Moment auch egal: Immerhin bestätigten sie die Delegierten mit einem ähnlichen Ergebnis wie zwei Jahre zuvor auf dem Dresdener Parteitag im Amt.

Diese Freude ist offenbar längst verflogen: Am Wochenende häuften sich Gerüchte, dass der Parteivorsitzende die Kompetenz zur Vorbereitung und Organisation des Bundestags-Wahlkampfes 2013 vom Generalsekretärsamt trennt und zur „Chefsache“ macht. Nahles „kann das einfach nicht“, wird Gabriel in einer Sonntags-Zeitung zitiert. Die Dementis klangen dann halbherzig.

Nun herrschte zwischen dem 52-jährigen ausgebildeten Lehrer und der elf Jahre jüngeren Nahles stets eine schwierige Beziehung. Auf gemeinsamen Veranstaltungen mussten sie vor ihrer Erstwahl 2009 in Dresden Harmonie demonstrieren. Wo die Unterschiede zwischen beiden liegen, wurde auf dem Wahl-Parteitag klar: Während Gabriel die durch das 23-Prozent-Bundestagsdebakel frustrierte Partei mit einer fulminanten Rede wieder aufrichtete, quälte sich die Literaturwissenschaftlerin durch ein abschreckendes Redemanuskript, das von schiefen Bildern nur so wimmelte.

Gabriel erfuhr zügig von persönlichen und programmatischen Defiziten in der Außendarstellung der SPD-Spitzenrepräsentantin, die sich in den vergangenen Monaten häuften. Hinzu kommt eins: Gabriel und Nahles sind grundverschiedene Charaktere. Gabriel ist lebenslustig, laut, manchmal polternd. Er sei „kein Macho“, behauptet seine Umgebung. Aber Chauvi-Sprüche sind dem Vorsitzenden gewiss nicht fremd.

Hat Gabriel jetzt andere Prioritäten? Bisher galt im Willy-Brandt-Haus die Annahme, dass Gabriel sich einen Kanzler-Kandidaten der SPD aussucht. Er selbst habe angeblich kein Interesse. Mit dem Organisationsschritt für die Bundestagswahl hat er sich selbst automatisch in den Vordergrund gespielt.

Festlegen wollte sich gestern in der Parteizentrale niemand. Es bleibe bei dem Fahrplan, nach dem erst gegen Ende dieses oder Anfang 2013 die Kandidatenfrage entschieden werde. Gegen diese Festlegung gibt es eine massiver werdende Gegenfront. Angeführt wird sie von Alt-Kanzler Gerhard Schröder, der argumentiert, dass die infrage kommenden Kandidaten alle genügend Format mitbringen, um auch einen längeren Wahlkampf durchzustehen.

Klar ist: Peer Steinbrücks Chancen sind deutlich gesunken. Der Finanzminister, für den sich auf dem Berliner Parteitag Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt ins Zeug gelegt hatte, gilt für einen Wahlkampf, den Gabriel kurzerhand zu einem Richtungswahlkampf zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb erklärt hat, als wenig geeigneter Spitzenmann. Der Wahlkampf soll vor allem soziale Themen fokussieren.

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