Wachstum von 2,0 Prozent Finanzielle Spielräume für Jamaika kleiner als erhofft

Berlin (dpa) - Die Wahlversprechen der Jamaika-Partner Union, FDP und Grünen beliefen sich geschätzt auf bis zu 100 Milliarden Euro - doch nun wird klar: Dafür fehlt der finanzielle Spielraum.

Wachstum von 2,0 Prozent: Finanzielle Spielräume für Jamaika kleiner als erhofft
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Der Gesamtstaat (Bund, Länder und Gemeinden) dürfte im laufenden Jahr zwar mit 31,3 Milliarden Euro den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung erzielen, heißt es in dem an diesem Mittwoch vorgestellten Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen. Die tatsächlichen Spielräume für die Politik auf Bundesebene seien aber wesentlich geringer. Zumal die gute Finanzlage nicht von Dauer sein dürfte, da vor allem steigende Zinsen die öffentlichen Haushalte absehbar stärker belasten könnten.

Und die künftige Regierung muss Geld in die Hand nehmen, um die Digitalisierung und den damit verbundenen Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen, wie die Wirtschaftsweisen deutlich machen. Dazu seien Investitionen in Bildung und Weiterbildung notwendig, eine innovationsfreundliche Regulierung sowie eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Beim Klimaschutz und bei der Energiewende bedürfe es eines besseren marktwirtschaftlichen Ansatzes.

Mit den Empfehlungen zur Digitalisierung dürften die Jamaika-Unterhändlern mittlerweile weitgehende einverstanden sein. Beim marktwirtschaftlichen Ansatz für den Klimaschutz, wie ihn die FDP verlangt, dürfte es noch Diskussionsbedarf geben, obwohl die Grünen beim Ende von Verbrennungsmotoren und Kohlekraft von ihren Maximalforderungen abgerückt sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm am Mittwoch das Gutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entgegen. Dabei machte sie deutlich, dass eine künftige Jamaika-Koalition eine vernünftige Balance zwischen einer Entlastung der Bürger und Strukturreformen zur wirtschaftlichen Stabilität finden müsse. Im Wahlkampf seien bei den Bürgern viele Erwartungen an den Staat geweckt worden.

Zufrieden zeigt sich der Sachverständigenrat mit der robusten Konjunktur. Er korrigierte seine Wachstumsprognosen für Deutschland für das laufende und das kommende Jahr deutlich nach oben. Die Weisen erwarten jetzt für 2017 ein Wachstum von 2,0 Prozent. Im Frühjahr hatten sie noch 1,4 Prozent vorhergesagt. Für 2018 hoben sie ihre Prognose von 1,6 Prozent auf 2,2 Prozent an.

Gleichwohl warnten die Experten vor einer Ausweitung von Sozialleistungen. Sie empfahlen aber Entlastungen der Steuerzahler und Arbeitnehmer. Es wäre etwa vernünftig, wenn die Steuerzahler bei der „kalten Progression“ weiter entlastet würden und man den Soli-Steuerzuschlag schrittweise abbaue. Mit der kalten Progression kassiert der Staat dank steigender Preise mehr Steuern. Lohnzuwächse werden so aufgefressen. Eine Korrektur käme hier vor allem mittleren Einkommen entgegen.

Sozialleistungen wie die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente, die sieben Milliarden Euro ausmachen würde, passten jedoch nicht ins Bild, machten die Ökonomen deutlich. Im Gegenteil plädieren sie für die Senkung von Sozialabgaben, etwa der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von heute drei auf 2,5 Prozent.

Um das Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen, sei vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nötig, damit mehr Frauen eine Erwerbstätigkeit aufnehmen könnten, schreiben die Wirtschaftsweisen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sei die Zuwanderung. Sie plädieren für ein Einwanderungsrecht, das deutlich zwischen Asylsuchenden und Zuwanderung in den Arbeitsmarkt unterscheide.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, Ziel sei es, in dieser Wahlperiode den Soli auf Null abzubauen. „Wir haben leider zur Kenntnis nehmen müssen, dass weder CDU/CSU noch die Grünen bereit sind, wirklich eine komplette Steuerreform zu machen, das heißt, ein faireres, ein transparenteres, ein einfacheres Steuersystem zu schaffen“, sagte Beer.

Linke-Chefin Katja Kipping kritisierte die Kompromiss-Signale der Grünen. „Es ist eine Schande, dass während der Klimakonferenz die entscheidenden Kompromissvorschläge in einer Laufzeitverlängerung von Kohle und Verbrennungsmotor bestehen“, sagte sie der dpa.

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