FDP will Hammelsprung abschaffen - Auf dem Weg zum digitalen Bundestag

Die FDP will Drucksache und Hammelsprung abschaffen und elektronisch abstimmen. Die Partei legte eine Reform für den Bundestag 4.0 vor.

 Abgeordnete des Bundestages vollziehen im Plenarsaal des Reichstags in Berlinden „Hammelsprung“.

Abgeordnete des Bundestages vollziehen im Plenarsaal des Reichstags in Berlinden „Hammelsprung“.

Foto: Tim Brakemeier/dpa

Berlin. Hammelsprung, Stimmkärtchen, Drucksachen — der jungen Generation, die mit zwei Daumen auf einem Handydisplay zu kommunizieren pflegt, muss der Bundestag wie ein Heimatmuseum erscheinen. Findet jedenfalls die FDP. Ihr Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann hat den anderen Parteien jetzt Eckpunkte für eine Reform in Richtung Bundestag 4.0 vorgelegt. Mit revolutionären Neuerungen.

Die gute alte Drucksache will Buschmann als Begriff ersatzlos abschaffen. Das sei „ein Relikt des letzten Jahrtausends“, heißt es in den Vorschlägen, die unserer Zeitung vorliegen. Alle parlamentarischen Vorgänge sollten stattdessen so weit wie möglich elektronisch laufen und eine „Ticket-Nummer“ erhalten. Derzeit ist es eine „Drucksachen-Nummer“. Überhaupt möchte Buschmann eine elektronische Aktenverwaltung einführen.

Derzeit läuft das meiste auf Papier; für alle Abgeordneten und Mitarbeiter werden Gesetzentwürfe und Protokolle in großen Stapeln hergestellt und von Boten herumgebracht. Und wenn ein Bundestagsabgeordneter eine kleine Anfrage an ein Ministerium richtet, muss er sie in vierfacher Ausfertigung schriftlich einreichen, dann wirft die Parlamentsverwaltung das Fax-Gerät an. Die Antwort kommt auf gleichem Wege. Buschmann erinnert manches an die weißen Perücken im britischen Unterhaus. „So antiquiert kommt den meisten auch der Bundestag vor.“

Ganz besonders hadert der Liberale mit dem „Hammelsprung“. Das ist ein Abstimmungsverfahren, bei dem die Mehrheit dadurch festgestellt wird, dass erst alle Abgeordneten den Plenarsaal verlassen und dann durch eine Ja- oder Nein-Tür wieder hineingehen, wobei sie gezählt werden.

Die Opposition beantragt so etwas gelegentlich, wenn sie merkt, dass die Regierungsfraktionen nicht vollzählig sind. Dann ist große Aufregung, in allen Abgeordnetenbüros schrillen Sirenen, und jeder eilt ins Plenum.

Buschmann schlägt generell elektronische Abstimmungen vor. Auf jedem Platz soll sich ein Kartenlesegerät befinden. Die meisten Abstimmungen seien nicht geheim und könnten auf diesem Weg durchgeführt werden. Das spare enorm Zeit. Beim Hammelsprung könne man ja eine Schutzfrist von 30 Minuten einlegen.

Zuguterletzt will der FDP-Mann auch noch eine Art Bundestags-Wikipedia einführen. Jeder, der sich als Nutzer registrieren lässt, soll auf Gesetzentwürfe zugreifen und — öffentlich nachvollziehbar — Anmerkungen oder Änderungsvorschläge machen dürfen. Wie bei dem Internet-Lexikon. Vor allem Experten und Interessengruppen würden das nutzen, erwartet der FDP-Politiker. „Das steigert Transparenz und bietet die Chance, das in der Gesellschaft verstreute Wissen für die Debatten nutzbar zu machen.“

Die Eckpunkte sollen übernächste Woche in der FDP-Fraktion verabschiedet und dann den anderen Parteien übermittelt werden. Als Beitrag der Liberalen zur anstehenden Parlamentsreform. Es sei nicht glaubwürdig, sagte Buschmann unserer Redaktion, wenn die Politik für die Chancen des digitalen Wandels werbe und sie selbst nicht ergreife.

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