Bundesparteitag FDP: Wettergegerbt und selbstbewusst in den Wahlkampf

Die FDP präsentiert sich auf ihrem Berliner Parteitag harmonisch wie lange nicht Lindner wird mit riesiger Mehrheit wiedergewählt.

 Sind gut drauf: Christian Lindner (l), FDP-Bundesvorsitzender, und Wolfgang Kubicki, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein.

Sind gut drauf: Christian Lindner (l), FDP-Bundesvorsitzender, und Wolfgang Kubicki, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein.

Foto: Monika Skolimowska

Berlin. Sie sind gut drauf, die Liberalen. Zu Beginn des FDP-Parteitages wird ein flottes Video eingespielt. Schlusssatz: „Lindner ist megadoof“. Es ist natürlich ironisch gemeint, ein Appell an die Bürger, nicht alles doof zu finden, sich zu engagieren. Es hat Zeiten bei der FDP gegeben, da wäre so etwas als ernsthafte Intrige gegen den Vorsitzenden interpretiert worden. Jetzt sagt Christian Lindner: „Wir haben Spaß miteinander“.

Die gute Laune ist an vielen Stellen spürbar, sogar bei Kassenwart Hermann Otto Solms, der sich auf dem Parteitag mit 77 Jahren noch einmal um das „Amt des obersten liberalen Schatzsuchers“ bewirbt, wie er ironisch formuliert. Nichts wirkt angestrengt, nichts zerstritten, vieles hingegen optimistisch. Nach drei Jahren außerparlamentarischer Opposition ist die Partei „wettergegerbt“ zurück, wie der Vorsitzende formuliert.

Der Berliner Parteitag ist der Auftakt für den Bundestagswahlkampf. Lindner schwört die 660 Delegierten sehr emotional darauf ein. Er erinnere sich noch, sagt er, wie die Grünen 2013 gejubelt hätten, als die FDP aus dem Bundestag flog. Er habe sich damals geschworen, dass das nicht das letzte Bild sein dürfe, das von seiner Partei bleibe. Es spricht für die Weisheit des erst 38 Jahre alten Vorsitzenden, dass er hinzufügt, er wolle seinerseits den Grünen Ähnliches nicht wünschen, das Sozialökologische gehöre in den Bundestag. Ebenso, dass er nicht erwähnt, dass bei CDU und SPD damals genauso geklatscht wurde. Die Strategie der FDP heißt neuerdings: Gleicher Abstand zu allen.

Lindner kritisiert Merkel wie Schulz exakt gleich oft, die große Koalition ebenso wie die Opposition. Man hat bei seiner 75minütigen Rede manchmal den Eindruck, er habe es abgezählt, aber er redet frei. „Wir werden die Chance auf unser Comeback nicht verspielen, indem wir uns zu nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen lassen“, sagt er. Es gibt diesmal keine Koalitionsaussage der FDP.

Kurz vor der Wahl soll es aber einen neuen Parteitag geben, der festlegen soll, welche Bedingungen die FDP an jegliche Regierungszusammenarbeit stellt. Lindners Stellvertreter Wolfgang Kubicki, mit dem der Vorsitzende fast perfekt zu harmonieren scheint, drückt es so aus: „Man sollte weniger fragen, mit wem wir was machen wollen, sondern was wir machen wollen“.

Lindner ist vor drei Jahren mit neuem Personal gestartet, das er zu einem Team geformt hat. Es steht unverändert wieder zur Wahl. Der Vorsitzende selbst wird mit 91 Prozent Zustimmung betätigt. Die FDP hat auch inhaltlich aufgeräumt. Seriosität ist Lindners Stichwort, „Ansehen geht vor Aufsehen“. Die Bildung steht jetzt ganz vorn im Wahlprogramm. Gefordert wird eine massive Anhebung der Bildungsausgaben. Steuerpolitik kommt erst weiter hinten. Lindner sagt, wenn CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble Entlastungen von 15 Milliarden Euro verspreche, „dann sind 30 Milliarden sicher realistisch. Oder mehr“. Auch hier wieder eine Spitze an den früheren Koalitionspartner CDU.

Dass die FDP sich aus alten Schablonen lösen will, zeigt der Streit um den Medikamentenhandel. Früher waren die Liberalen als Apotheker-Partei verschrien. Jetzt steht im Wahlprogrammentwurf, dass man ein Versandhandelsverbot ablehne, sehr zum Ärger der Fachlobby und des Landesverbandes Baden-Württemberg. Lindner verteidigt das offensiv: „Für Liberale zählt nicht das organisierte Interesse, sondern die Wahlfreiheit der Kunden“.

Auch um die Ausländerpolitik gibt es eine längere Debatte. Der Vorsitzende hatte es bisher strikt vermieden, mit der AfD in eine Konkurrenz um rechte Parolen einzutreten, obwohl er die Öffnung der Grenzen durch Angela Merkel durchaus kritisiert. Sein „Ja“ auf eine Interviewfrage, ob er sich wünsche, dass Mesut Özil bei Länderspielen die Nationalhymne mitsinge, hatte aber kürzlich für Schlagzeilen gesorgt. Nun stellt Lindner klar: „Jeder kann das machen, wie er will“. Aber wenn er gefragt werde, was er sich persönlich wünsche, werde er wahrheitsgemäß antworten. Die Delegierten akzeptieren das, einer schenkt ihm ein Özil-Shirt.

Ernster wird es, als es um die doppelte Staatsbürgerschaft geht. Einige wollen sie wie die Mehrheit auf dem letzten CDU-Parteitag abschaffen, was andere wiederum für unliberal halten. Lindner entschärft die Diskussion mit dem Vorschlag, dass die Doppelstaatler sich spätestens in der dritten, der Enkel-Generation, entscheiden sollen. So weit denkt in der FDP derzeit sowieso kaum jemand voraus. Sondern nur bis zum Wahltag am 24. September.

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