Politiker soll anderen Mann gestalkt haben Fall gelöst: Neue Erkenntnisse um Suizid von Pirat Claus-Brunner

Der Berliner Pirat Gerwald Claus-Brunner hat einen jüngeren Mann getötet. Anschließend verschickt er ein Paket, das auch ein Geständnis enthält.

Gerwald Claus-Brunner. Archivbild

Gerwald Claus-Brunner. Archivbild

Foto: Britta Pedersen

Berlin. Nach einem schriftlichen Geständnis des Berliner Piraten Gerwald Claus-Brunner vor seinem Selbstmord ist der Fall für die Staatsanwaltschaft geklärt. Wie ein Sprecher am Donnerstag sagte, hat Claus-Brunner ein Paket mit persönlichen Gegenständen und einen Brief an seinen früheren Lebensgefährten geschickt. In dem Schreiben habe der 44-Jährige die Tötung eines 29-Jährigen eingeräumt. Das Paket seit bei dem früheren Lebensgefährten nicht angekommen und am Mittwoch der Polizei übergeben worden. Für die Staatsanwaltschaft gibt es keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung anderer. Deswegen wird der Fall nicht weiterverfolgt.

Gerwald Claus-Brunner. Archivbild

Gerwald Claus-Brunner. Archivbild

Foto: Britta Pedersen

Den Polizisten, die als erste die Wohnung des Berliner Piraten-Politikers Gerwald Claus-Brunner am Montag betraten, bot sich ein schlimmer Anblick. Von einem „schaurigen Bild“ schrieb die Berliner Polizei am Dienstag. Claus-Brunner und ein anderer Mann lagen tot in der Wohnung in verschiedenen Zimmern.

Betroffenheit und Entsetzen nahmen nach der Todesnachricht zu, als Einzelheiten bekannt wurden: Nach Erkenntnissen der Polizei hatte der 44-jährige Piraten-Politiker zuerst den anderen Mann getötet. Tage nach dieser Tat nahm sich Claus-Brunner, der mit seinen Latzhosen und Kopftüchern bekannt geworden war, selber das Leben.

Laut Informationen des "SPIEGEL" handelt es sich bei dem Opfer um Jan Mirko L. aus Berlin-Gesundbrunnen, der von Claus-Brunner in sozialen Netzwerken jahrelang als "Wuschelkopf" bezeichnet wurde. Laut Parteikollegen sollen beide mehrfach zusammen im Berliner Abgeordnetenhaus gesehen worden sein. Ob beide auch eine Beziehung führten, dazu gibt es widersprüchliche Aussagen.

Laut Polizei wurde das Opfer durch „stumpfe Gewalt gegen den Oberkörper“ getötet. Die Tat geschah aber nicht in der Mietwohnung von Brunner im Stadtteil Steglitz im Süden Berlins, sondern in der Wohnung des Opfers, die nach Zeitungsberichten in Wedding im Norden liegen soll. Berichte, wonach er sein Opfer mit einer Sackkarre durch Berlin gefahren haben soll, bestätigte die Berliner Staatsanwaltschaft am Mittwoch zunächst nicht. Sprecher Martin Steltner sagte aber: „Die Leiche muss transportiert worden sein - wie auch immer.“

Nachdem er das Opfer in seine Wohnung transportierte, tötete Brunner sich einige Tage später selbst. Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft wollten sich zu Details nicht äußern. Die Zeitungen „Bild“ und „B.Z.“ berichteten, Claus-Brunner, der Kommunikationselektroniker war und als Mechatroniker gearbeitet hatte, habe sich mit einem Stromschlag das Leben genommen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte das nicht. Ein Sprecher sagte aber, es gebe Hinweise, dass Claus-Brunner den jüngeren Mann gestalkt, also verfolgt und belästigt habe. Es soll eine Anzeige des jüngeren Mannes gegeben haben. Laut der "Bild" soll Claus-Brunner mindestens einem weiteren Mann nachgestellt haben.

Zeitungsberichte, nach denen der getötete Mann missbraucht worden sei, bestätigten die Ermittler ausdrücklich nicht. Dazu gebe es keine Hinweise, sagten Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die Piratenpartei hatte am Montag mitgeteilt, man habe von einer unheilbaren Krankheit des Abgeordneten gewusst. Dem widerspricht die Staatsanwaltschaft. Laut einem Sprecher war Claus-Brunner, anders als von ihm selbst behauptet, nicht unheilbar krank. Die Obduktion habe keine solchen Hinweise erbracht.

Claus-Brunner, der mit seiner Körpergröße und Kleidung auffiel, gehörte zur bundesweit ersten Piratenfraktion. Sie zog 2011 überraschend mit 8,9 Prozent und 15 Abgeordneten in das Berliner Landesparlament ein. Bei der Wahl am vergangenen Sonntag erreichten die Piraten nur 1,7 Prozent der Wählerstimmen und flogen wieder raus.

Am 23. Juni hatte Claus-Brunner in seiner letzten Rede im Abgeordnetenhaus mit Blick auf die nahende Wahl und die schlechten Umfragewerte der Piraten gesagt, man werde die Piratenfraktion noch vermissen. Dann folgte eine Anspielung auf seinen bevorstehenden Tod: „Und ihr werdet auch in der laufenden Legislatur für mich am Anfang irgendeiner Plenarsitzung mal aufstehen dürfen und eine Minute stillschweigen.“

Am Freitag vor seinem Tod veröffentlichte Claus-Brunner ein Foto eines Mannes auf seinem Twitter-Account, das nach SPIEGEl-Informationen Jan Mirko L. zeigen soll. Unterschrieben ist das Bild mit: "Meine Liebe, mein Leben, für dich lieber Wuschelkopf, für immer und ewig!"

Kurz zuvor twitterte Claus-Brunner: „Echter Kacktag heute, übertrifft sämtliche schlechten tage die ich je erlebt hatte bisher. Hoffe das Wochenende machts besser.“

Am Montag ging bei den Piraten in Berlin ein Brief von Claus-Brunner ein. „Darin stand, dass er nicht mehr lebt“, berichtete der Piraten-Vorsitzende Bruno Kramm. Parteimitglieder verständigten daraufhin die Polizei. Den Abschiedsbrief übergaben sie der Kripo. Kramm sagte, unabhängig vom Ablauf der beiden Todesfälle: „Eine menschliche Tragödie ist es in jedem Fall.“

Wenn Sie Suizid-Gedanken haben, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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