Politikwissenschaftler: „Seehofer steht alleine da“

Der Passauer Politikwissenschaftler und CSU-Experte Heinrich Oberreuter erklärt, warum der Innenminister nach dem Asylstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun immer mehr innerhalb der CSU unter Druck gerät.

 Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter (li.) mit Innenminister Seehofer (CSU).

Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter (li.) mit Innenminister Seehofer (CSU).

Foto: Andreas Gebert

Berlin. Die CSU kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Asylstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wächst die innerparteiliche Kritik am Verhalten von Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Er sei inzwischen isoliert, sagt der Passauer Politikwissenschaftler und CSU-Experte Heinrich Oberreuter im Gespräch mit unserer Redaktion.

 Horst Seehofer und seine CSU haben sich schon mal besser verstanden. (Archivfoto)

Horst Seehofer und seine CSU haben sich schon mal besser verstanden. (Archivfoto)

Foto: dpa

Herr Professor Oberreuter, sinkende Umfragewerte und Chaos in der Asylpolitik — was ist nur los mit der CSU?

Heinrich Oberreuter: Die CSU hat sich strategisch verrannt. Sie hat auf das Asyl- und Flüchtlingsthema gesetzt. Und zwar exklusiv. Auch aus der Erfahrung heraus, dass sie als nicht mehr standfest galt, nachdem sie erst Angela Merkel bekämpft und dann vor der Bundestagswahl mit ihr gekuschelt hat. Jetzt bekommt sie die Quittung. Auch für ihren schlechten Stil in der Auseinandersetzung.

Hätte die CSU alles auf eine Karte setzen und damit den Sturz der Kanzlerin in Kauf nehmen sollen?

Oberreuter: Ein Teil des Kalküls war in der Tat, die Merkel-Gegner in der CDU und in der Bundestagsfraktion in Position zu bringen, um die Kanzlerin viel konsequenter in Frage zu stellen. Aber die bayerische Aggression hat nur dazu geführt, dass sich die Reihen hinter Merkel geschlossen haben. Insofern hat das mit dem Kanzlerin-Sturz nicht geklappt.

In der CSU gibt jetzt viel Kritik am Verhalten von Parteichef Horst Seehofer. Zu Recht?

Oberreuter: Die Bundesrepublik hat es noch nicht erlebt, dass ein Minister den Aufstand gegen die Kanzlerin probt und dabei auch gegen Verfassungsartikel polemisiert. Der Witz ist allerdings, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder diese Strategie lange Zeit mitgetragen hat. Jetzt, wo man damit baden gegangen ist, verabschiedet sich Söder davon und vollzieht wieder eine nicht sehr glaubwürdige Kehrtwende. Seehofer muss aber an seiner Linie festhalten — und steht alleine da. Er ist in der Partei isoliert.

Wenn dem so ist, müsste Seehofer dann nicht zurücktreten?

Oberreuter: Im politischen Machtspiel mit der Kanzlerin, aber auch mit Markus Söder ist Seehofer untergegangen. Das und sein unsäglicher Stil müssen ihn aber noch nicht politisch für seine Ämter disqualifizieren. Ob Seehofer noch tragbar ist, entscheidet sich letztendlich an den Ergebnissen, die er nun als Innenminister liefern muss.

Hat die CSU noch eine Chance, bei den Landtagswahlen im Oktober die absolute Mehrheit zu verteidigen?

Oberreuter: Das glaube ich nicht. Es gibt eine negative Grundstimmung, eine große Verunsicherung des liberal-konservativen Klientels, das der CSU eigentlich zugeneigt ist. Diese Wählerschaft wandert ab. Deswegen kann man der Partei jetzt nur raten, von der extremen Zuspitzung Abstand zu nehmen und die monothematische Orientierung abzustreifen, um vielleicht noch etwas Boden gut zu machen. In diese Richtung geht Söder bereits.

Was passiert mit der Partei, wenn sie tatsächlich die absolute Mehrheit verliert?

Oberreuter: Söder wird nicht in Frage gestellt werden. Weil es keine sich abzeichnende Alternative zu ihm gibt. Für die Suche nach einem Schuldigen hat Söder bereits ein Fundament gelegt, indem er betont, die demoskopischen Werte seien keine bayerischen, sondern Berliner Werte. Damit ist klar, wessen Position bei einem Verlust der absoluten Mehrheit herausgefordert sein wird — die von Horst Seehofer.

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