EU-Kommission räumt Staaten mehr Spielraum für Ökoenergie ein

Brüssel/Berlin (dpa) - Im Kampf gegen den Klimawandel will die Europäische Kommission den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent senken.

EU-Kommission räumt Staaten mehr Spielraum für Ökoenergie ein
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Beim Ausbau von Ökoenergien möchte Brüssel den EU-Staaten aber künftig mehr Spielraum einräumen. Umweltschützer verurteilten die Pläne als Angriff auf die Energiewende. Aber auch in der Bundesregierung wurden Bedenken laut. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) warnte vor einer Renaissance der Atomenergie durch die Hintertür.

Die EU-Kommission stellte ihre Vorschläge für die Energie- und Klimapolitik bis zum Jahr 2030 vor. Danach soll es keine bindenden nationalen Ausbauziele für Energie aus Wind oder Sonne für das Jahr 2030 mehr geben. „Was wir heute vorstellen, ist sowohl ehrgeizig als auch bezahlbar“, sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Nach Vorstellungen der EU-Kommission sollen künftig europaweit 27 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen, diese Pflichtvorgabe soll aber nur für die EU als Ganzes gelten. „Wir sind völlig sicher, dass wir das Gesamtziel auf EU-Ebene erreichen“, betonte Barroso. „Den Mitgliedsstaaten bleibt es freigestellt, ihre eigenen Erneuerbaren-Ziele zu setzen, wenn sie das wollen.“

Die Bundesregierung hatte auf national bindende Zielvorgaben gehofft, weil sie sich davon Rückenwind für die Energiewende verspricht. Hendricks begrüßte die Vorschläge zwar grundsätzlich, betonte aber zugleich, man brauche „ambitionierte und verbindliche Ziele“ für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Außerdem müsse die Reform des Emissionshandels deutlich früher kommen als 2020, und auch bei den Klimaschutzzielen könne sie sich mehr vorstellen. Am Vormittag hatte Hendricks im Bayerischen Rundfunk noch kritisiert, eine Reduzierung der Treibhausgase allein genüge nicht: „Damit ist die Gefahr groß, dass durch die Hintertür eine Renaissance der Atomenergie ins Auge gefasst wird.“

Die Kommission schlägt vor, dass die EU ihren Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) um 40 Prozent gegenüber 1990 senken soll. Außerdem macht sich die Behörde für eine Reform des schwächelnden CO2-Handels nach 2020 stark. Viele Unternehmen in Europa müssen Rechte für den Ausstoß von Kohlendioxid vorlegen und können auch damit handeln. Doch der Preis ist im Keller, damit fehlen Anreize zum klimafreundlicheren Wirtschaften.

Umweltverbände warfen Brüssel mangelnden Ehrgeiz vor. „Die EU-Kommission spricht bei jeder Gelegenheit davon, einen gefährlichen Klimawandel vermeiden zu wollen. Doch die jetzt vorgeschlagenen 40 Prozent CO2-Reduktion reichen dafür bei weitem nicht aus“, erklärte Germanwatch. Der WWF Deutschland kritisierte, gerade Deutschland werde seine klimapolitischen Ziele unter diesen Bedingungen nicht erreichen.

Die Hilfsorganisation Care warnte vor den Folgen für die Ärmsten der Armen: Wenn die EU ihre Verantwortung nicht wahrnehme, werde die Zerstörung der Lebensgrundlage von Millionen schutzloser Menschen stillschweigend geduldet. Der DGB sprach von einer „Gefahr für
Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa“.

Auch aus der deutschen Energiewirtschaft kam Kritik. Der Verband kommunaler Unternehmen verlangte verbindliche nationale Ausbauziele
für die erneuerbaren Energien bis 2030, weil man langfristig stabile Rahmenbedingungen brauche.

Die Grünen sprachen von einem verheerenden Signal und einem endgültigen Abschied Europas von der Vorreiterrolle beim Klimaschutz. Die Abkehr von nationalen Ausbauzielen für Ökoenergien zeige, dass Brüssel die Klimaschutzziele nur noch mit „gefährlichen Dinosauriertechnologien“ wie Atomkraft und Fracking erreichen wolle, erklärte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.

Die Linke kritisierte vor allem, dass die EU-Kommission keinerlei Vorgaben für die Energieeffizienz gemacht habe. „Es ist ein Unding, dass es exakt für jenen Bereich im Klimaschutz keine EU-Ziele geben soll, bei dem es die ärgsten Probleme gibt“, sagte die Energieexpertin Eva Bulling-Schröter in Berlin.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hingegen wäre auch mit einem niedrigeren Kohlendioxid-Sparziel zufrieden gewesen: Er habe „für ein weniger ehrgeiziges CO2-Reduktionsziel von 35 Prozent“ geworben, sagte er in Brüssel. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard betonte: „40 Prozent ist keine Kleinigkeit, das ist eine große Sache. Es wird eine Menge von Europa verlangen.“

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