Einkommenskluft zwischen Ost und West wächst

Berlin (dpa) - Die Einkommenskluft zwischen Ost und West ist wieder größer geworden. Lag das Haushalts-Nettoeinkommen in den neuen Ländern im Durchschnitt des Jahres 2003 noch bei 77,5 Prozent des Westniveaus, so reduzierte es sich in den folgenden fünf Jahren auf nur noch 75,0 Prozent.

1993 und damit kurz nach dem Mauerfall lag das Ost-Nettoeinkommen nach Abzug von Steuern und Abgaben noch bei 68,3 Prozent des Westwertes. Im Osten wird überhaupt nur jeder Zweite nach Tarif bezahlt.

In dem untersuchten 5-Jahres-Zeitraum erhöhte sich das Nettoeinkommen im Westen um 3,3 Prozent auf 3056 Euro, im Osten stagnierte es bei 2292 Euro, geht aus den vom Statistischen Bundesamt am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Zahlen hervor. Damit standen dem Durchschnittshaushalt zwischen Ostsee und Erzgebirge monatlich 764 Euro weniger zur Verfügung. Angesichts einer Inflationsrate von zehn Prozent in dieser Periode mussten aber auch die Westhaushalte preisbereinigt Kaufkrafteinbußen hinnehmen.

Die Ergebnisse stammen aus der im fünfjährigen Turnus erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), für die rund 60 000 Haushalte ein Vierteljahr lang Ausgaben und Einnahmen in einem Haushaltsbuch akribisch festhielten. Noch nicht berücksichtigt sind dabei die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf Einkommen und Konsum.

Auf Basis der neuen EVS hat das Bundesarbeitsministerium auch die Neuberechnung der Grundsicherung mit dem um fünf Euro auf 364 Euro angehobenen Hartz-IV-Regelsatz abgeleitet. Das Statistische Bundesamt hat nach eigenem Bekunden nur die Datengrundlage dafür geliefert.

Das Zurückbleiben der Osteinkommen lässt nach Ansicht der Statistiker zwar keine Schlüsse auf die Entwicklung der Verdienste zu. Tatsache ist aber, dass in Ostdeutschland nur etwa die Hälfte der Beschäftigten nach Tarif bezahlt wird. Das wirkt sich grundsätzlich negativ auf die Einkommen aus. Die Steuer- und Abgabenlast war 2008 im Westen mit 843 Euro oder 21,6 Prozent vom Erwerbseinkommen höher als in den neuen Ländern mit durchschnittlich 576 Euro oder 20,1 Prozent.

Eine besonders deutliche Ost-West-Spreizung zeigt die EVS bei den Einkommen von Alleinlebenden: So standen diesen Haushalten im Osten nur 1319 Euro netto im Monat oder 72,4 Prozent des Westwertes zur Verfügung. Dagegen kamen Alleinerziehende im Osten - unterstützt auch durch staatliche Transferzahlungen - mit 1833 Euro Haushaltseinkommen auf 93,1 Prozent des Westniveaus von 1969 Euro.

Generell stehen aber Alleinerziehende am Schlechtesten da: Wird das Einkommen auf die Zahl der Haushaltsmitglieder umgerechnet, dann ermittelten die Statistiker für sie ein Pro-Kopf-Einkommen von netto 845 Euro. Bei Paaren mit Kindern liegt der Vergleichswert bei 1103 Euro, bei Paarhaushalten ohne Kinder bei 1694 Euro. Für Alleinlebende ermittelten sie ein verfügbares Einkommen von 1726 Euro monatlich.

Keine Überraschung ist, dass Haushalte mit geringem Einkommen prozentual am meisten für den Konsum ausgeben: Mit 79,8 Prozent lag deren Konsumquote im Osten um fast 5 Prozentpunkte über der im Westen. Umgekehrt legten Westhaushalte mit 335 Euro im Monat deutlich mehr auf die hohe Kante als Ost-Haushalte mit 213 Euro. Daraus errechnet sich eine Sparquote Ost von 9,1 Prozent und von 10,8 Prozent im Westen. Alleinerziehende sparten mit 93 Euro im Durchschnitt am wenigsten.

Vom Konsumbudget geht mit durchschnittlich 32,6 Prozent der Großteil fürs Wohnen drauf - kein anderer Posten schlägt stärker zu Buche. Wer keine Kinder hat, leistet sich laut EVS mehr Restaurant- und Hotelbesuche. Diese Haushalte gaben dafür 5,8 Prozent ihres Budgets aus, bei Alleinerziehenden waren es nur 3,3 Prozent. Dafür lagen die Ausgaben dieser Gruppe für Handy und Internet mit 4,0 Prozent Budgetanteil am höchsten: Alleinerziehende haben ganz offensichtlich das ausgeprägteste Kommunikationsbedürfnis.

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