Analyse Ehegattensplitting: Warum es falsch ist, Einverdiener-Ehen zu fördern

Das Ehegattensplitting kostet gut 15 Milliarden Euro im Jahr. Es hält Frauen vom Arbeiten ab - und hilft vielen Familien nicht.

 Das Ehegattensplitting nutzt vielen hetero- und homosexuellen Paaren. ob Kinder im Haushalt leben, spielt dabei keine Rolle.

Das Ehegattensplitting nutzt vielen hetero- und homosexuellen Paaren. ob Kinder im Haushalt leben, spielt dabei keine Rolle.

Foto: Michael Reichel

Düsseldorf. Vor gut zwei Jahren löste Katrin Göring-Eckardt in den eigenen Reihen helle Empörung aus. „Es war ein Fehler, das Ehegattensplitting einfach streichen zu wollen“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Das schlechte Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl 2013 (nur 8,4 statt wie erhofft 16 Prozent) habe viel mit dem grünen Steuerprogramm zu tun, so Göring-Eckardt. Seitdem wird das Thema in der Partei eher verdrängt.

Ähnlich läuft es bei den Sozialdemokraten. Über Jahrzehnte hinweg kämpfte die SPD lautstark für die Abschaffung oder mindestens die Änderung des Ehegattensplittings. Inzwischen spielt das Thema kaum noch eine Rolle. In der Union sieht die Mehrheit sowieso keinen Grund, an der bestehenden Regelung zu rütteln.

Kein Wunder: Rund zwölf Millionen Steuerbürger profitieren vom Ehegattensplitting. Mit einer Kampagne dagegen lassen sich keine Wahlen gewinnen. Nur: An Argumenten gegen diese Regelung mangelt es nicht. Das Steuerprivileg stammt aus den 1950er Jahren und nutzt vor allem Einverdiener-Ehen mit hohem Einkommen. Heiratet ein Mann, der 100 000 Euro verdient, eine Frau, die keinen Job hat, spart er mehr als 8000 Euro Steuern im Jahr. Verdient er 60 000 Euro und heiratet eine Frau, die 40 000 Euro nach Hause bringt, sparen sie durch die Ehe jährlich 400 Euro Steuern. Verdienen die Partner gleich viel, bringt die Heirat finanziell nichts.

Vor 60 Jahren entsprach dieses Modell vielfach der Lebenswirklichkeit: Der Mann verdient das Geld, die Frau bleibt zu Hause und zieht die Kinder groß. Gefördert wurden also Ehe und Familie. Heute sieht es unter deutschen Dächern anders aus: Viele Familien funktionieren ohne Ehe, mehr als die Hälfte der Ehen sind kinderlos. Die Steuerermäßigung kommt vielen zugute, für die sie nie gedacht war. Extrem begünstigt wird die Einverdiener-Ehe. Bis zu 16 200 Euro können Paare im Jahr sparen, wenn ein Partner sehr viel und der andere nichts verdient.

Der steuerliche Splitting-Vorteil hält außerdem vor allem Frauen vom Arbeiten ab. Denn nach wie vor sind fast immer sie es, die für den Nachwuchs eine Pause einlegen und dann wieder in den Job einsteigen möchten. Finanziell lohnt sich das aber oft nicht. Denn das, was das Paar nach Steuern durch das zweite Einkommen mehr auf dem Konto hat, deckt gerade einmal die Kosten für die Betreuung der Kinder.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin) spricht sich in einer Studie für die Abschaffung des Ehegattensplittings aus. An dessen Stelle sollte die Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag treten. Das bedeutet: Beide Partner zahlen individuell ihre Einkommensteuer. Hat einer von ihnen kein zu versteuerndes Einkommen oder liegt es unter dem Grundfreibetrag, so kann der andere den zweiten Grundfreibetrag ganz oder teilweise von seinem steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Damit wären alle verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllt, heißt es in der Studie.

Laut DIW führt das Konzept zu Mehreinnahmen von etwa 15 Milliarden Euro im Jahr. Dieses Geld könnte in den Ausbau und die qualitative Verbesserung von Kitas und Ganztagsschulen investiert werden. Das würde vor allem Familien mit Kindern — mit oder ohne Trauschein — zugutekommen. Für verheiratete Frauen gäbe es zudem einen starken finanziellen Anreiz, wieder eine Arbeit aufzunehmen.

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