Diesel-Debatte Diesel-Gipfel: Autoindustrie gegen teure Nachrüstung

Hersteller fürchten Kosten im zweistelligen Milliardenbereich. Der ADAC meint: Abgasvorschriften müssen die Autos im Alltagsbetrieb erfüllen.

 Symbolbild.

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Foto: Julian Stratenschulte

Düsseldorf. Unmittelbar vor dem Dieselgipfel streiten Politik und Konzerne über Verbesserungen direkt an Motor-Bauteilen von Millionen Autos, um den Schadstoffausstoß deutlicher zu senken. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erneuerte seine Zusage, die Abgasreinigung über Software-Updates zu optimieren — bot aber weiterhin keine Hardware-Umrüstungen an.

Scharfe Kritik an dieser Haltung übte auf Nachfrage unserer Zeitung der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC). Software-Updates seien keine Lösung des Schadstoffproblems. Wenn die Hälfte aller Euro-5-Autos in Deutschland ein Update erhielte, würde die Luftqualität nur um weniger als zehn Prozent verbessert, sagte ein Sprecher. „Der ADAC fordert deshalb eine echte Nachrüstung mit SCR-Katalysator und einer Harnstoff-Einspritzung, denn sie würde 90 Prozent schaffen.“

Der ADAC bezifferte die Kosten der Nachrüstung auf etwa 1500 pro Fahrzeug. Würden alle neun Millionen älteren Dieselautos in Deutschland umgebaut, ergäben sich Kosten von rund 13,5 Milliarden Euro. „Diese Mehrkosten dürfen keinesfalls bei den Kunden der Autohersteller hängenbleiben“, sagte der ADAC-Sprecher.

Dass sogar neue Diesel-Pkw mit Euro-6-Zulassung die Grenzwerte für Stickoxide auf der Straße zum Teil erheblich überschreiten, hält der Automobilclub nicht für hinnehmbar. „Wir brauchen realistische Abgasvorschriften und saubere Autos, und zwar in jedem Betriebszustand, in dem sich das Auto befindet.“

Der Dieselgipfel kann nach Überzeugung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die drohenden Fahrverbote in deutschen Ballungräumen noch abwenden. Dazu müsse es aber Ergebnisse geben, die kurzfristig zu messbaren Minderungen der Schadstoffbelastung führten, sagte Laschet. „Wir müssen liefern, sonst werden die Gerichte ihre Anordnungen treffen. Morgen ist nicht der Tag, an dem der Staat Forderungen der Automobilindustrie entgegennimmt“, so der Düsseldorfer Regierungschef, der am Mittwoch am Gipfel in Berlin teilnimmt.

Nach Ansicht von Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte von der Universität Duisburg-Essen, wäre die deutsche Autoindustrie gut beraten, sich vom Dieselmotor zu verabschieden. Toyota als einer der ganz großen Autobauer habe bisher den Diesel nicht gebraucht und sei gut damit gefahren. Hybrid-Fahrzeuge seien eine bessere Übergangsstrategie als teure Chemiefabriken im Diesel-Pkw. „Notwendig sind Abgasvorschriften, die ohne jede Einschränkung im Alltagsbetrieb gültig sind“, sagte Dudenhöffer. „Es ist unglaublich, dass weder Kanzlerin Angela Merkel noch andere Politiker bisher gefordert haben, dass Diesel nur dann als Neuwagen verkauft werden dürfen, wenn sie auch im Alltag die Grenzwerte erfüllen“, so der Professor. Die Berliner Regierungskoalition sei nicht ehrlich zu den Menschen.

Die deutschen Autobauer sagten am Vorabend des Gipfels „umfangreiche Nachbesserungen“ an Pkw der Emissionsklassen Euro 5 und 6 zu. Mit Softwarelösungen für mehrere Millionen Fahrzeuge könnten Stickoxid-Emissionen auf der Straße „schnell und effektiv gesenkt werden“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. „Wir gehen davon aus, dass eine Verringerung der realen Stickoxid-Emissionen von durchschnittlich mindestens 25 Prozent möglich ist“, so der ehemalige CDU-Bundesverkehrsminister. Notwendig seien zudem weitere Projekte etwa für flüssigeren Verkehr in Städten und eine rasche Erneuerung älterer Taxi- und Busflotten. Zu einer geforderten finanziellen Beteiligung der Branche äußerte sich Wissmann nicht. Er betonte erneut, „dass die Automobilindustrie den Dieselgipfel zu einem Erfolg machen will“. Generelle Fahrverbote müssten jedoch zwingend vermieden werden. „Der Diesel ist sowohl für den Klimaschutz als auch für den Wohlstand in Deutschland weiterhin von enormer Bedeutung.“

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