Analyse Die Liberalen sind auf der Suche nach neuem Sinn

Die FDP kommt zum Parteitag zusammen. Es ist das erste Treffen nach dem Jamaika-Scheitern. Droht ein Zerwürfnis?

 FDP-Chef Christian Lindner: Über das Verhältnis zu seinem Stellvertreter WolfgangKubicki wurde zuletzt spekuliert. Klar ist: Es gibt Differenzen. Foto: dpa

FDP-Chef Christian Lindner: Über das Verhältnis zu seinem Stellvertreter WolfgangKubicki wurde zuletzt spekuliert. Klar ist: Es gibt Differenzen. Foto: dpa

Foto: Michael Kappeler

Berlin. Die Steuerfrage lässt die FDP nicht ruhen. Im 280 Seiten starken Antragsbuch für den an diesem Wochenende in Berlin stattfindenden Parteitag findet sich auch diese Forderung: „Weil Frau sein kein Luxus ist“ — für Damenhygieneprodukte soll künftig nur noch der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent gelten. Dass die 662 Delegierten den Antrag auch beraten werden, ist unwahrscheinlich. Denn die FDP treibt eigentlich anderes um.

Es ist das erste Zusammenkommen der Partei nach dem Wiedereinzug ins Parlament mit 10,7 Prozent. Vor allem aber nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen mit Union und Grünen vor gut einem halben Jahr, das Parteichef Christian Linder seinerzeit mit dem inzwischen legendären Satz verkündete: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“ Parteitage der Liberalen sind durchaus lebendig. Der gewollt verpasste Sprung an die Macht könnte also noch einmal von einigen Delegierten thematisiert werden, auch wenn in der Führung betont wird, die Mitglieder stünden „geschlossen“ hinter Lindners Entscheidung. Neu gewählt wird auf dem Konvent jedenfalls nicht.

In Berlin findet aber vor allem eine Art liberale Sinnsuche statt: Wie soll es jetzt weitergehen? Mit einer klugen Kampagne rund um den schillernden Vorsitzenden Lindner und den Themen Digitalisierung und „Neues Denken“ gelang zwar der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Doch jetzt ist man neben AfD, Linke und Grüne lediglich Opposition im Bundestag. Das macht es weitaus schwieriger, wahrgenommen zu werden, Themen zu setzen und den Zuspruch der Wähler zu behalten.

Im 22 Seiten langen Leitantrag des Bundesvorstandes inszeniert sich die FDP daher als Partei, die den „Sprung ins nächste Deutschland“, der „Innovation Nation“ schaffen will. Gegen alle, die aus der Republik „ein Land der Verwalter“ gemacht haben. Man brauche jetzt die richtigen Ideen, „um nicht abgehängt zu werden“, steht in dem Papier. Und die FDP glaubt, sie zu haben.

Dumm ist dann halt doch, dass man nicht auf der Regierungsbank hockt. Hinter den Kulissen wird allerdings bereits intensiv erkundet, was nach der nächsten Bundestagswahl als Dreierbündnis möglich wäre. Dann voraussichtlich ja ohne CDU-Chefin Angela Merkel. Sie und der 39-jährige Lindner sind sich in herzlicher Abneigung verbunden.

Kein Parteitag ohne Konflikt, weil der auch Aufmerksamkeit bedeutet: So wird genau darauf geachtet werden, wie sich Lindner und sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki verhalten. Es gibt Differenzen in der Frage der Russland-Sanktionen; ob der Konflikt auch ein Zerwürfnis der beiden Alphatiere ist, wird man sehen. Kubicki hatte sich dafür ausgesprochen, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu lockern. Lindner will daran festhalten. Nun soll eine inhaltliche Klärung herbeigeführt werden. „Wir stehen zu den gegen Russland verhängten Sanktionen“, heißt es in einem Beschlussvorschlag des Vorstandes, zu dem sich Kubicki enthalten hat. Demgegenüber fordert ein Antrag aus Thüringen das Ende der Sanktionen gegen Russland. Mit einem verbalen Schlagabtausch wird gerechnet.

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