Die CDU und die grüne Welle

Der Erfolg der Grünen in Stuttgart offenbart das Problem der Konservativen in Großstädten.

Stuttgart/Berlin. Es ist ein weiterer Schlag ins Kontor: Die CDU wollte bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl zeigen, dass der Machtverlust im Südwesten bei der Landtagswahl 2011 ein Betriebsunfall war. Doch am Sonntag kam es anders. Grünen-Politprofi Fritz Kuhn gewann die Wahl klar vor dem von CDU, FDP und Freien Wählern getragenen Kandidaten Sebastian Turner (parteilos). Dabei galt Baden-Württemberg jahrzehntelang als sichere Bank für die Union.

Am Tag nach der Pleite betonte der Stuttgarter CDU-Kreischef Stefan Kaufmann, dass der Grund für die Niederlage nicht allein in Stuttgart zu suchen ist. Es bleibe das Problem der CDU, die „großstädtischen Milieus“ zu erreichen — die Alleinerziehenden, Kulturschaffenden und Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Auch die Bundes-CDU trifft der Tiefschlag aus Stuttgart ein Jahr vor der Bundestagswahl an einer empfindlichen Stelle. Denn ihre relative Schwäche in Großstädten ist für die Volkspartei ein chronisches Problem. Aktuell haben wieder alle vier Millionenstädte der Republik — Berlin, Hamburg, München, Köln — SPD-Rathauschefs. Erst im Frühling ging dann nach langer Zeit auch noch die Finanzmetropole Frankfurt für die CDU verloren. Die Grünen stellen seit Sonntag Oberbürgermeister in fünf Städten: neben Stuttgart in Freiburg, Tübingen, Darmstadt und Bad Homburg.

In Stuttgart konnte selbst ein persönlicher Wahlkampfeinsatz von Kanzlerin Angela Merkel das Blatt nicht wenden. Die Parteivorsitzende hat registriert, dass die CDU in Universitätsstädten „ein Manko“ hat. Sie habe den Eindruck, dass die Partei dort teils vom Lebensgefühl her bestimmte Dinge nicht wahrnehme, sagte Merkel kürzlich. Dies gelte etwa für vermeintlich weiche Themen wie Umweltschutz oder gesunde Ernährung. Da werde anderen Parteien mehr zugetraut, obwohl sie in der Substanz teils gar nicht mehr böten.

Dass die CDU ausgerechnet in Baden-Württemberg erneut einen herben Rückschlag hinnehmen musste, lässt in Berlin Sorgenfalten entstehen. Denn eine Mobilisierung von Wählern im Südwesten — zweitgrößter Landesverband nach Nordrhein-Westfalen — ist auch für Merkels Aussichten bei der Bundestagswahl 2013 wichtig. Das OB-Ergebnis zeige, dass der Machtverlust im Südwesten „eben kein Eintagsereignis war“, warnte der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder.

Dass die Grünen in Baden-Württemberg — bodenständig, konservativ und gutbürgerlich — einen Durchmarsch hinlegen, ist derweil nicht verwunderlich. Die grünen Wurzeln sind dort besonders tief. Vor mehr als 30 Jahren gründeten sie dort ihren Bundesverband, dort entwickelten sie sich als erdverbundene Kraft ohne Berührungsängste zur CDU. Deswegen ist Kuhns Erfolg keine Sensation. Es ist die Verbindung zum Bürgerlichen, die zum Erfolgsrezept der Grünen wurde. „Sie gewinnen nicht nur Stimmen aus dem bürgerlichen Lager, sondern sind selbst Bestandteil des bürgerlichen Lagers“, sagte Kommunikationsprofessor Frank Brettschneider.

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