„Den Islam von innen reformieren“

Die Muslimin und Autorin Lale Akgün beklagt eine mittelalterliche Auslegung des Koran und fordert eine Liberalisierung.

Köln. Ein gläubiger Muslim braucht keine Moschee, Frauen dürfen immer alles, was Männer dürfen, Schweinefleisch und Alkohol unterliegen keinem Total-Tabu. Die SPD-Politikerin Lale Akgün will viel frischen Wind für den Islam, ihn aus seinem „fundamentalistischen Gefängnis“ befreien. In ihrem Buch „Aufstand der Kopftuchmädchen“ kritisiert die Kölner Muslimin die Rolle der Imame und islamischen Verbände, „Kadavergehorsam“ in Moscheegemeinden und eine weit verbreitete „mittelalterliche Lesart“ des Koran.

„Wir modernen Muslime müssen den Islam aus den Klauen des Patriarchats befreien“, sagt die türkischstämmige Autorin. Die meisten Imame in Moscheegemeinden hierzulande sind Akgün zufolge „stramm konservativ“ und keineswegs an einer Integration ihrer Mitglieder interessiert: „Die Imame sind keine Integrationslotsen oder Brückenbauer, das ist lächerlich. Das Gegenteil ist der Fall, sie binden ihre Klientel an sich und leben davon, dass die Menschen zu allererst auf sie hören“, sagt sie.

Akgün, die bis 2009 SPD-Bundestagsabgeordnete und Islambeauftragte der Fraktion war, sieht auch den Staat in der Pflicht, in den Koranschulen genau hinzu-gucken: „Sehr viele Kinder werden in Deutschland in die Koranschulen geschickt und einer Gehirnwäsche unterzogen, da geht es nur um das stupide Auswendiglernen des Koran.“

In ihrem Buch schreibt die Psychologin, vielen Muslimen seien die Grundlagen des Islam gar nicht bekannt. In dieser Religion seien „Pseudopropheten“ wie die Imame überhaupt nicht vorgesehen. Die gut organisierten konservativen Vereine — etwa der Zentralrat der Muslime oder die türkische Ditib — nutzten das geringe Wissen vieler Gläubiger aus.

Akgün redet auch beim Streitthema Moscheebau Klartext: Wer sich für einen großen Bau entscheide, wie Ditib in Köln, dem gehe es vor allem um eine Machtdemonstration. Unter den rund 4,3 Millionen Muslimen in Deutschland zählt sie rund zehn Prozent zu den modernen Gläubigen, zehn bis 15 Prozent zu den sehr konservativen bis ultraorthodoxen Muslimen.

Es gehe darum, die breite Masse für eine Reform zu gewinnen. „Die Muslime müssen selbst sagen, wie sie den Islam von innen reformieren, liberaler und aufgeklärt gestalten wollen.“ Immer mehr junge Musliminnen wollten sich aus Unterordnung und Fremdbestimmung durch die Männer befreien, das gelte es zu unterstützen.

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