Darf Konfession bei Einstellungen eine Rolle spielen?

<h2>ProWo Kirche draufsteht, soll auch Kirche drin sein. Sonst nivelliert der Kampf gegen Diskriminierung die gesellschaftliche Vielfalt.

Darf Konfession bei Einstellungen eine Rolle spielen?
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Von Ekkehard Rüger, [email protected]

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist kein Hinterzimmer-Privileg, sondern genießt bis heute Verfassungsrang, verankert in Artikel 140 des Grundgesetzes: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“ Auch das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs ändert daran nichts. Und das ist gut so.

Keine Frage: Im weiten Feld kirchlicher Arbeitgeberschaft lassen sich zahlreiche Beispiele finden, wo eine konfessionelle Bindung nicht zwingend erscheint. Eine Tatsache, der die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände mit ihrer Einstellungspraxis an vielen Stellen auch längst Folge leisten. Die Fälle, in denen sie die Religionszugehörigkeit aber weiterhin einfordern, werden sie zwar künftig genauer begründen müssen. Aber es wird ihnen dabei auch an guten Argumenten nicht fehlen.

Um beim konkreten Gegenstand des Verfahrens zu bleiben: Wenn sich eine Referentin im kirchlichen Auftrag mit der UN-Antirassismuskonvention befasst, sollte sie nicht nur juristisch bewandert sein, sondern auch mit der christlichen Überzeugung der Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen etwas anzufangen wissen. Keine FDP-Fraktion würde ihre Referentenstellen mit grünen Juristen besetzen. Und wer sein Kind in einen kirchlichen Kindergarten schickt, erwartet mit Recht nicht nur versierte Pädagoginnen, sondern auch eine im christlichen Wertesystem verankerte Grundhaltung.

Das Argument, viele der Stellen würden doch überwiegend vom Staat finanziert, zieht nicht. Das Geld ist kein Privileg der Kirchen, sondern fließt an alle freien Träger — Ausdruck des staatlichen Bekenntnisses zur Pluralität. Sie darf durch den Kampf gegen Diskriminierung nicht nivelliert werden.

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Die Privilegien von kirchlichen Arbeitgebern widersprechen den modernen Anforderungen des Arbeitsmarktes.

Von Kristin Dowe, [email protected]

Rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen die Kirchen in Deutschland in ihren Wohlfahrtsverbänden, Pflegeeinrichtungen, Kitas, Schulen und Unternehmen. Damit gehören die Kirchen zu den größten Arbeitgebern Deutschlands und halten ein breites Spektrum unterschiedlichster Jobs vor — finanziert von Steuergeld und Krankenkassenbeiträgen. Historisch bedingt durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Weimarer Reichsverfassung genießen sie dabei in Deutschland Privilegien, von denen weltliche Arbeitgeber nur träumen können: Dazu gehörte bislang auch das Recht, die Konfession zum Einstellungskriterium zu erheben. In Europa beschreitet Deutschland damit einen Sonderweg.

Zeitgemäß ist das schon lange nicht mehr. Mit ihrem Urteil haben die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zumindest mittelbar die Position von Bewerbern gestärkt, indem sie den rechtlichen Handlungsspielraum des Bundesarbeitgerichts erweiterten. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels ist es eine Farce, wenn ein qualifizierter Bewerber für eine Vakanz in einer kirchlichen Einrichtung gar nicht erst infrage kommt, weil er der falschen Religionsgemeinschaft angehört — oder gar keiner. Das ist nicht nur diskriminierend, sondern gemessen an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes etwa in der Pflege auch verschenktes Potenzial, das sich Arbeitgeber nicht mehr leisten können. Die Konfession als Kriterium ist nur ein Aspekt der alten Streitfrage, ob die Kirche mit ihren Moralvorstellungen tief in die persönlichen Lebensverhältnisse ihrer Arbeitnehmer eindringen darf. Dabei spielt beim Großteil der Tätigkeiten im kirchlichen Umfeld die Konfession faktisch keine Rolle.

Die Kirchen sind heute Teil einer säkularisierten Gesellschaft. Deren Gegebenheiten sollte sie sich anpassen — und nicht umgekehrt.

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