Interview Chefin der Rentenversicherung: „Renten-Rücklage schmilzt in den nächsten Jahren ab“

Schwarz-rote Pläne: Gundula Roßbach, Chefin der Rentenversicherung, kritisiert im Interview die unklare Finanzierung. Und dämpft die Freude über die vollen Kassen.

 Symbolbild.

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Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Berlin. Trotz milliardenschwerer Mehrausgaben etwa für die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63 sind die Reserven in der Rentenkasse überraschend sogar noch gestiegen. Nach Angaben des Bundesversicherungsamtes betrug die Rücklage Ende Dezember gut 33,4 Milliarden Euro — rund eine Milliarde mehr als noch Ende 2016. Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, warnt dennoch vor Euphorie.

Frau Roßbach, der wirtschaftliche Boom in Deutschland lässt auch die Rentenkasse klingeln. Können Union und SPD im Falle einer gemeinsamen Regierung aus dem Vollen schöpfen?

Gundula Roßbach:
Die Sondierungsvereinbarung von Union und SPD enthält weitere Rentenverbesserungen, deren Finanzierung zum Teil aber noch unklar ist. Gut 33 Milliarden Euro an Reserven, das klingt jetzt sicher viel. Die Rücklage schmilzt aber in den nächsten Jahren ab, auch wegen der demografischen Entwicklung, dann muss der Beitragssatz wieder angehoben werden. Auch das sollte man im Blick haben, wenn man weitere Reformen beschließt. Insofern relativiert sich das Polster.

Union und SPD streben höhere Mütter- und Erwerbsminderungsrenten an. Darüber hinaus soll das Rentenniveau stabilisiert und eine Grundrente eingeführt werden. Haben Sie schon mal gerechnet, was das alles kostet?

Roßbach: Das lässt sich insgesamt noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Die geplante Ausweitung der Mütterente auf ältere Mütter mit mindestens drei Kindern kostet bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Grundrente können wir die finanziellen Auswirkungen noch nicht abschätzen. Das hängt von ihrer Ausgestaltung ab. Uns ist aber wichtig, dass zusätzliche Leistungen bei der Mütter- und der Grundrente aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Denn diesen Verbesserungen stehen keine Beitragszahlungen gegenüber.

Die Grundrente soll zehn Prozent über der Grundsicherung am jeweiligen Wohnort liegen und erst bei Bedürftigkeit greifen. Schützt das vor Altersarmut?

Roßbach: Auch das hängt natürlich von der konkreten Ausgestaltung ab. Es kommt etwa darauf an, wer Anspruch auf diese Leistung haben soll. Gilt das nur für langjährige Geringverdiener mit Vollzeitjob oder auch für Teilzeit-Beschäftigte? Das müssen wir abwarten. Die Bedürftigkeitsprüfung ist Aufgabe der Grundsicherungsämter, die vor Ort erfolgen muss. Fürsorge- und Versicherungsleistungen sollten nicht vermischt werden.

Das Rentenniveau soll nach dem Willen von Union und SPD bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden. Was bedeutet das in der Praxis?


Roßbach: Diese Maßnahme wäre voraussichtlich mit deutlichen Mehrkosten verbunden, deren Höhe von den weiteren Reformmaßnahmen und deren Finanzierung abhängig ist. Gleichzeitig streben Union und SPD eine doppelte Haltlinie an, die neben dem Rentenniveau auch den Beitrag langfristig absichern soll. Das haben wir immer gefordert. Denn die Belastungen für Rentner und Beitragszahler sollten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

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