Bundestagswahl 2017 Wahlplakate im Expertencheck: Die FDP - Angesagte Totgesagte

Wahlplakate der Parteien pflastern wieder die Straßen. Sprechen sie die Bürger auch an? Sind sie professionell gemacht? Oder wenigstens originell? Zwei renommierte Experten, die derzeit für keine der Parteien im Wahlkampf aktiv sind, aber Erfahrungen mit politischen Auftraggebern und Kampagnen haben, haben sich die Plakate angeschaut. Diesmal: die FDP.

 Bei der FDP ist alles auf Parteichef und Spitzenkandidat Christian Lindner zugeschnitten.

Bei der FDP ist alles auf Parteichef und Spitzenkandidat Christian Lindner zugeschnitten.

Foto: FDP

Karsten Göbel, Geschäftsführer Agentur Super an der Spree GmbH, Berlin: „Die FDP-Plakate werden gemocht oder gehasst. Schwarz-Weiß-Fotos und Text in knalligen Neonfarben, alles auf den großen Vorsitzenden zugeschnitten - CL2017, Christian Lindner. In Starpose und kontrastreich, wie angesagte Künstler und Bands fotografiert. „Denken wir neu.“ Twitter gefällt das radikal neue Erscheinungsbild der eben noch totgesagten Liberalen. Die Kampagne hat das Ziel, wieder in den Bundestag einzuziehen. Klingt trivial, war aber vor einigen Monaten alles andere als selbstverständlich. Ergo muss eine stabile Ü-Fünfprozent-Nische am Meinungsmarkt besetzt werden. Und das klappt super.

Inhaltlich ist die FDP konkurrenzlos und das zählt am Ende. Die SPD verpennt alle Zukunftsthemen und das einstige Appeal der intellektuellen Elite ist bei den Grünen an Überalterung verstorben. Und solange die CDU regiert, werden immer liberal-konservative Wähler für die FDP abfallen. Um all diese Menschen wirbt die FDP gerade, statt nur um Zahnärzte, Anwälte und Steuerberater. Deshalb ist die FDP nach den alten, weißen Männern plötzlich die Partei der Grafikdesigner, Gründer und jungen Akademiker. Gesamturteil: Eitler Kandidat lässt sich von eitler Agentur inszenieren: fast so geil wie Christiano Ronaldo.“

Eberhard Bingel, Vorstand CB.e AG, Berlin: „Ein Plakat, das heraussticht. Zunächst scheint es um Mode, vielleicht weiße Hemden, zu gehen, dann stellen wir fest, es ist die FDP. Christian Lindner verkauft sich als Popstar aus der Welt der Digitalisierung. Ohne Krawatte, Dreitagebart, cooler Blick, direkt aus einem hippen Startup gesprungen. Mit einer aus der Werbung entlehnten Fotoästhetik und Grafik stellt er sich als Alternative zu den anderen Parteien auf.

Riskant, schließlich laben sich die politischen Gegner gerne an seiner Pleite vergangener Jahre, aber trotzdem eine gute Idee. Er traut sich was! Leider auch etwas eitel. Für eine Partei mit geringem Anteil an der aktuellen Politik und der laufenden Berichterstattung, ist es wichtig Aufsehen zu erregen und Gesicht zu zeigen, die Wähler wollen schließlich wissen, wem sie ihre Stimme anvertrauen.

Die Sachaussage zielt auf Hipster und „Urban Professionals“. Dass diese Klientel wechselwillig ist, haben wir am Auf- und Abstieg der Piraten gesehen. Außer „irgendwas mit Digitalisierung“ ist ein Diskussionsbeitrag auf dem Plakat zwar nicht zu erkennen. Das kommt dann wohl im Kleingedruckten rechts oben. Die Bleiwüste liest natürlich kein Mensch, transportiert aber subkutan die Botschaft: Wir haben nicht nur Headlines zu bieten, wir kennen uns aus und denken weiter. Der neue Claim der FDP „Denken wir neu“, kommt auf diese Weise aber nicht rüber.

Fazit:
Professionell, auffällig, mutig! Gut gemacht.“

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