Bundestagswahl 2017 Krankenkasse — ein System für alle?

Während sich SPD, Grüne und Linke eine Bürgerversicherung wünschen, wollen CDU und FDP am bisherigen System festhalten.

Bundestagswahl 2017: Krankenkasse — ein System für alle?
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Berlin. Es ist eine Geschichte, die jeder wohl so oder ähnlich schon einmal erlebt oder gehört hat: Die (gesetzlich versicherte) Freundin ruft beim Dermatologen an, frühester Termin? In drei Monaten. Der (privat versicherte) Vater klagt über Kopfweh, direkt am Folgetag wird beim Facharzt ein MRT gemacht, zur Sicherheit noch ein EEG hinterher.

Die Unterschiede zwischen privat und gesetzlich Versicherten sind nicht nur spürbar, sondern Alltag. Privatpatienten lassen die Ärzte-Kasse klingeln. Sie gehen häufiger zum Facharzt, werden länger im Krankenhaus behandelt und häufiger operiert. Es geht ihnen deshalb nicht besser, aber das Missverhältnis bleibt.

Die SPD wirbt schon lange für eine einheitliche Krankenkasse. Die Idee hat die Partei bereits 2003 festgeschrieben. Wer privat versichert ist, soll in die Bürgerversicherung wechseln dürfen — unabhängig vom Erwerbsstatus, Alter, Geschlecht oder dem Gesundheitsrisiko. Einheitliche Honorarregelungen für Ärzte sollen Sonderbehandlungen von Privatpatienten entgegenwirken. Eine Krankenversicherung für alle sei ein Instrument gegen eine Zwei-Klassen-Medizin, betont SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Arbeitgeber und -nehmer sollten gleiche Beiträge zahlen. Kinder sowie Ehepartner sollen nach Willen der SPD weiterhin beitragsfrei mitversichert werden. Laut Lauterbach drohen den Privatversicherten in den nächsten zehn Jahren drastisch steigende Beiträge, auch das spreche für ein einheitliches System.

Auch die Grünen wünschen sich eine Bürgerversicherung und eine gemeinsame Honorarordnung. Eine Wahl für bisher Privatversicherte soll es nicht geben, heißt es im Wahlprogramm. Sie müssen ebenfalls in die Bürgerversicherung übertreten. Wettbewerb soll es durch Qualität und Patientenorientierung geben, nicht durch die unterschiedlichen Beiträge. Die Bürgerversicherung der Grünen soll jeden aufnehmen, unabhängig von Risiko, Alter oder Einkommen.

Die Linken sind für eine Bürgerversicherung ohne Wahlmöglichkeit. Alle Bürger sollen laut Wahlprogramm mittelfristig dort versichert werden. Private Versicherungen sollen sich dann auf das Angebot der Zusatzleistungen beschränken. Die Beitragssätze sollen angeglichen werden. Eine Beitragsbemessungsgrenze will die Linkspartei erst erhöhen, dann abschaffen.

Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister (CDU)

Die CDU will das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenkasse beibehalten, die Bürgerversicherung sei kein Thema mehr. CDU-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Die Zeit, wo man mit dem Begriff Bürgerversicherung punkten konnte, ist vorbei.“ Die bestehenden Systeme hätten beide gute Chancen, wenn sie ihre Hausaufgaben machten. Gröhe: „Die Zwangsvereinigung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung löst keine der Herausforderungen, vor denen unser Gesundheitswesen steht: etwa mehr Fachkräfte zu gewinnen, die Chancen der Digitalisierung noch stärker zu nutzen und medizinischen Fortschritt auch weiterhin allen Menschen zugänglich zu machen.“

Auch die FDP lehnt eine Bürgerversicherung ab. Die Krankenversicherung soll frei gewählt werden können. Laut Wahlprogramm will die Partei bei den gesetzlichen Krankenversicherungen die Budgetmedizin abschaffen und dafür das Kostenerstattungsprinzip einführen. Der Patient soll wie bei einer privaten Versicherung eine Rechnung für die Leistung des Arztes erhalten, in der die Kosten der in Anspruch genommenen Leistungen aufgezeigt werden. Die soll er auch — ebenfalls wie bei einer privaten Krankenversicherung üblich — zunächst selbst bezahlen.

Die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich laut aktueller Insa-Umfrage für eine Bürgerversicherung aus. Gut 60 Prozent der Befragten sind dafür. Der Umfrage zufolge stimmten bei den Befragten, die weniger als 1000 Euro monatlich verdienen, etwas mehr als jeder Zweite einer Bürgerversicherung zu. Bei jenen, die ein Monatseinkommen zwischen 3000 und 4000 Euro haben, stimmten zwei Drittel dafür.

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