Bund und Länder streiten um halbe Milliarde Bahn-Gewinn

Berlin (dpa) - Das jüngste Winterchaos bei der Bahn mündet vor der Verkehrsministerkonferenz am Montag in einen handfesten Bund-Länder-Streit um die Gewinne des Staatsunternehmens.

Die Länder fordern, dass der Bund auf seine jährliche Gewinnausschüttung von 500 Millionen Euro verzichtet und das Geld in Gleisnetz, Züge und Werkstätten investiert wird. Eine entsprechende Beschlussvorlage für die Sondertagung der Minister in Berlin liegt der Nachrichtenagentur dpa vor.

Die Bundesregierung wies das Ansinnen zurück. Die jährliche Zahlung sei im Sparpaket zur Haushaltssanierung 2011 bis 2014 und im Bundeshaushalt 2011 fest eingeplant, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Samstag der dpa. „Daran wird nicht gerüttelt.“ Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) drohte den Bahn-Verantwortlichen unterdessen mit Konsequenzen für ein mögliches Fehlverhalten im Winterchaos und mahnte - ungeachtet der Dividende - mehr Investitionen an.

Nach hitzebedingten Störungen bei der Bahn im Sommer zeigten die Verspätungen und Zugausfälle im Winter, dass die Probleme hausgemachter Natur seien, heißt es in der Vorlage des Landes Nordrhein-Westfalen für die Konferenz. „Die wesentliche Ursache hierfür dürfte in den massiven Einsparungen im Zusammenhang mit dem geplanten Börsengang verursacht liegen“, schreiben die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg in einem Änderungsvorschlag.

Die Probleme beruhten offensichtlich nicht auf unvorhersehbaren klimatischen Einflüssen, sondern auf einer unzureichenden Vorbereitung. Künftig müsse darauf geachtet werden, dass die Bundesmittel für die Erhaltung der Schienenstrecken der Bahn auch komplett zu diesem Zweck eingesetzt werden, ebenso wie die von der Bahn für die Nutzung ihrer Gleise erhobenen Trassenentgelte.

Auch Niedersachsens Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) ging in einem dpa-Gespräch mit Blick auf eingefrorene Weichen von Problemen mit der Wartung aus. „Wenn das so ist, muss man auch darüber diskutieren, ob es genügend Personal gibt.“ Daher sei es fraglich, ob die geplante Ausschüttung einer Dividende an den Bund als Eigentümer noch Sinn mache. „Vielleicht braucht man das Geld, um den gewollten Standard zu erhalten.“

Der rheinland-pfälzische Ressortchef Hendrik Hering (SPD) forderte den Bund auf, mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken. „Angesichts jahrelanger Unterfinanzierung geht es der Infrastruktur mittlerweile an die Substanz, und die Mängel werden durch die Winterschäden weiter verschärft.“

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kritisierte, es gebe „eine deutliche Unwucht zwischen den Ankündigungen und dem tatsächlichen Handeln“ des Bundesverkehrsministers. Der Bund müsse deshalb auf die festgeschriebene Dividenden-Zahlung der Bahn verzichten, sagte EVG-Sprecher Michael Klein der dpa in Berlin. Die SPD hatte sich zuvor schon klar dafür ausgesprochen, der Bahn das Geld zu lassen, „um in besseres Material zu investieren“.

Ramsauer schrieb in der „Bild am Sonntag“: „Wenn sich herausstellt, dass es vermeidbares Chaos gab, muss es Konsequenzen geben. Als Ausrede taugt der Winter in Deutschland nicht - und auch nicht die Fehler der Vergangenheit.“ Die Probleme der vergangenen Wochen seien Ergebnis des jahrelangen Sparkurses und Renditendrucks bei der Bahn, so Ramsauer. „Reserven wurden abgebaut, Personal eingespart. Das lässt sich nicht von heute auf morgen aufholen. Ergebnis: Zugausfälle, Verspätungen, verärgerte Fahrgäste, Entschädigungskosten.“ Die Bahn müsse „jetzt mit einer Qualitäts- und Investitionsoffensive reagieren“.

Kürzungen in Millionenhöhe drohen der Bahn unterdessen wegen der Verspätung und des Ausfalls von Zügen im Regionalverkehr. Dies sähen die Regelungen für die Zuschüsse vor, die die Bahn aus den Ländern für den Einsatz der Regionalzüge erhält, sagte ein Sprecher der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen. Für das abgelaufene Jahr werde alleine für Niedersachsen mit Abzügen von zwei bis vier Millionen Euro gerechnet. Auch Berlin und Brandenburg kündigten bereits Kürzungen an.

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