Brüderle äußert sich nicht zu „Stern“-Reporterin

Berlin (dpa) - Der mit Sexismus-Vorwürfen konfrontierte FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle schweigt weiter: Nachfragen, ob er sich öffentlich bei „Stern“-Journalistin Laura Himmelreich entschuldigen wolle, wich der 67-Jährige am Mittwoch aus.

„Ich habe mich bisher nicht zu dem Thema geäußert und werde das auch nicht tun. Ich bitte einfach, meine persönliche Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen“, sagte Brüderle bei einem Pressetermin in Berlin, an dem auch Himmelreich teilnahm. Es war die von Medien mit Spannung erwartete erste Begegnung der beiden, seit die Reporterin in einem Artikel über anzügliche Äußerungen des Politikers ihr gegenüber berichtet hatte.

Der 67-jährige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion nahm aber erstmals zur heftig geführten gesellschaftlichen Diskussion Stellung. „Sexismus ist eine Debatte, die läuft, die eine gesellschaftliche Relevanz hat“, sagte Brüderle. In einer Demokratie sei das ein „objektives, legitimes Phänomen“. Seine Rolle als FDP-Spitzenmann für den Bundestagswahlkampf sieht Brüderle durch die Debatte nicht als gefährdet an. Er könne der Partei sehr wohl nützen, sonst hätte die FDP ihn nicht zum Spitzenkandidaten ausgerufen.

Mehr als 80 Journalisten, mehrere Kamerateams und Fotografen verfolgten den Auftritt von Brüderle und Himmelreich. Die 29-Jährige, die in Begleitung eines „Stern“-Kollegen erschien, saß während des üblichen Pressefrühstücks des Politikers auf einem Stuhl im Hintergrund, machte sich Notizen und stellte keine Fragen.

Die SPD, die sich im Fall Brüderle bisher zurückhielt, erhöhte nun den Druck und verlangte eine öffentliche Erklärung. „Herr Brüderle muss die Vorwürfe klarstellen, er muss sich endlich erklären“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles „Spiegel Online“. „Wenn alles wirklich so passiert ist, wie beschrieben, hat Herr Brüderle eine deutliche Grenze überschritten.“

Die FDP habe massive Defizite in Sachen Gleichstellung und die wenigsten weiblichen Abgeordneten im Bundestag. „Die FDP hat ein Frauenproblem“, sagte Nahles. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, meinte: „Ich glaube, dass Herr Brüderle gut beraten wäre, wenn er sich zu dem Thema äußern würde.“

In den eigenen Reihen wird Brüderle rückhaltlos unterstützt. FDP-Chef Philipp Rösler bewertete die Sexismus-Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten Brüderle als Kampagne gegen die gesamte Partei. Im „Stern“ war in der Vorwoche ein Porträt erschienen, in dem Himmelreich eine Begegnung mit Brüderle vor über einem Jahr an einer Hotelbar schildert. Brüderle sei dabei mit anzüglichen Bemerkungen aufgefallen.

Der „Stern“ legte nun nach und widmet sich im neuen Heft dem „täglichen Sexismus“. Frauen erzählen, welche Respektlosigkeiten und Anzüglichkeiten sie erlebt haben. Chefredakteur Andreas Petzold wies im Vorwort Röslers Kritik zurück, das Magazin betreibe eine Kampagne gegen die FDP und ihren Wahlkampf-Spitzenkandidaten Brüderle. Zugleich verteidigte Petzold seine Autorin Himmelreich.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen begrüßte die laufende Debatte. „Die starke Reaktion in der Öffentlichkeit zeigt, dass ein Nerv getroffen wurde“, sagte die CDU-Politikerin der „Welt“. Viele Frauen hätten Belästigungen erlebt und äußerten dies nun auch. „Besonders schlimm sind Übergriffe, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stattfinden“, so von der Leyen. „Das Gute an dieser Debatte ist doch, dass das Bewusstsein für die roten Linien geschärft wird.“

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