Briefe voll Wut, Trauer und Hoffnung

Ein neues Buch gewährt Einblicke in das Leben deutscher Soldaten in Afghanistan.

Hamburg. „Hier ist alles 100 Mal schlimmer, als es mir in meinen kühnsten Träumen erschien“, schreibt bereits 2002 Oberstleutnant Bertram Hacker aus Kabul. „Ich frage mich tatsächlich, ob ich dieses Abenteuer wirklich brauchte (. . .), ich kann jetzt nicht emotional werden, sonst heule ich.“

Seit neun Jahren ist die Bundeswehr nun in Afghanistan. Ungezählte E-Mails, Briefe und SMS wurden seitdem nach Deutschland verschickt. Ein kleiner Teil davon wird in dem morgen erscheinenden Buch „Feldpost — Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan“ veröffentlicht.

„Es ging uns nicht darum, mit dem Buch eine Position für oder gegen den Einsatz zu beziehen, sondern die Soldaten direkt und unverfälscht zu Wort kommen zu lassen“, erklärt Marc Baumann vom Magazin der „Süddeutschen Zeitung“.

Für das Buch, das wohl aufgrund der aktuellen Affäre um geöffnete Feldpost früher als geplant erscheint, waren er und vier Kollegen mit mehreren hundert Soldaten in Kontakt. Die einen waren von ihrem Einsatz überzeugt und schauten hoffnungsvoll in die Zukunft, andere zweifelten daran. Manche haben ihren Dienst quittiert. In 17 Fällen mussten die Namen der Absender geändert werden, um sie — so die Herausgeber — „vor ihrem Arbeitgeber, der Bundeswehr, zu schützen“.

„Insgesamt hat der Isaf-Einsatz in Kundus nur noch wenig von einem Hilfseinsatz, sondern mehr von einem (asymmetrischen) Krieg“, schreibt Oberstabsarzt Jens Weimer 2009. Andere berichten detailliert von Angriffen:

„Plötzlich eine Detonation, der Boden unter den Füßen vibriert (. . .) Ich lade mein Gewehr und spüre Adrenalin.“ Als im April 2009 der erste Bundeswehrsoldat im direkten Kampf getötet wird, schreibt ein Kamerad: „Tot. Das Unerwartete ist geschehen, bisher ging doch immer alles gut. In meinem und sicher nicht nur in meinem Bauch breitet sich eine lähmende Leere aus.“

Nach dem verheerenden Luftschlag von Kundus, bei dem Oberst Georg Klein von den Taliban gekaperte Tanklaster bombardieren lässt, schreibt ein Oberleutnant: „Die Politiker waschen sich die Weste rein (. . .) Ohne deren Mandat wären wir nicht hier, und Oberst Klein hätte nicht so eine Entscheidung treffen müssen. So stehen wir Soldaten als schießgeile Rambos da, und unser Ansehen leidet in Deutschland noch mehr.“

In den Briefen vieler Soldaten ist die Rede von engen Lagern, freundlichen Gastgebern und von dem Land mit seinen schönen und hässlichen Seiten. „Die Sterne glühen prächtig über der Steppe, und die Milchstraße fließt in die Unendlichkeit.

Die Zikaden zirpen, und an die Skorpione denke ich gerade mal nicht.“ Dagegen befindet ein junger Hauptgefreiter: „Afghanistan, hier stinkt’s. Überall Sand und Staub, Trümmer und Wracks (. . .) Afghanistan, hier gibt es schon lange keinen Gott mehr.“

„Formel 1, Fußball, Musik“, bestimmen die Freizeit. Und natürlich ist auch von Liebeleien die Rede. In einem Brief heißt es: „Diese Techtelmechtel enden jedoch spätestens auf dem Rückflug in der Transall.“ So habe der Pilot vor dem Anflug auf Deutschland eine gute Heimkehr gewünscht und den Hinweis gegeben: „Mädels, ab heute seid ihr nicht mehr die Schönsten.“

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