Bevölkerung: Begehrtes Ziel Deutschland

Erstmals seit acht Jahren steigt die Einwohnerzahl wieder. Zuwanderer aus Ost- und Südeuropa bescheren Deutschland ein Plus von rund 50 000 Menschen.

Wiesbaden. Deutschland ist im vergangenen Jahr um eine mittelgroße Stadt auf mehr als 81,8 Millionen Einwohner gewachsen. Vor allem Zuwanderer aus anderen EU-Staaten wie Polen, Rumänien und Italien haben der Bundesrepublik unterm Strich ein Bevölkerungsplus in Höhe von rund 50 000 Menschen beschert, berichtet das Statistische Bundesamt. Es ist der erste Einwohneranstieg seit acht Jahren.

„Die Gesellschaft wird ausländischer und bunter. Genau darin liegt die Chance von Deutschland“, sagt Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut in Kelkheim. Die jüngere Generation sei mobiler, denke globaler und sehe Europa als größeres Zuhause.

Die meisten Zuwanderer kommen aus Polen, für das seit Mai 2011 die vollständig Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt. Klaus Sturmfels von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Frankfurt sieht in dem Plus aber mehr als nur Arbeitsmigration. Viele Polen wollten beispielsweise auch wegen der Bildung in Deutschland bleiben. „Die Polen sind jetzt ja auch anerkannter und werden freundlicher behandelt als früher“, fasst er seine Erfahrungen zusammen. „Wer europäisch denkt, ist flexibel. Die Leute gehen in das Land, wo sie gute Bedingungen vorfinden.“

Die Finanz- und Schuldenkrise ist nach Ansicht des Direktors des Instituts für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung in Bielefeld, Prof. Ralf E. Ulrich, ein wesentlicher Grund für den Zuzug vieler Ost- und Südeuropäer. „Wenn sie Arbeit in Deutschland finden, und das zu Hause berichten, werden mehr kommen.“ Das Zuwanderungsplus werde dennoch voraussichtlich nur wenige Jahre anhalten, vermutet das Statistische Bundesamt.

Johann Fuchs vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg gibt zu bedenken, dass auch die überraschend hohe Zahl von Zuwanderern den Druck auf dem Arbeitsmarkt nicht auszugleichen vermag. Insgesamt zogen 2011 der Prognose zufolge 240 000 Menschen mehr zu als weggingen. „Wir bräuchten aber 300 000 bis 400 000 pro Jahr.“

„Von der Zuwanderung profitieren zudem nur die Regionen, denen es demografisch ohnehin schon sehr gut geht“, sagt Sven Stadtmüller vom Forschungszentrum Demografischer Wandel an der Frankfurter Fachhochschule. Rembrandt Scholz vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock nennt die Gewinner: „Die Bevölkerungszunahme wird sich auf die Metropolen Berlin und Hamburg sowie auf die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein konzentrieren.“

Einigen Regionen — insbesondere in den neuen Ländern — droht eine Verödung, so die Fachleute unisono.

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