Interview Bahnkundenverbands-Chef selbstkritisch: „Die Informationen für die Kunden hätten besser sein können“

Bahnkundenverbands-Chef Curth sieht keine großen Fehler im Krisenmanagement beim Orkan „Xavier“ — aber Lernbedarf.

 In Berlin wurden wegen des Sturmtiefs Xavier zahlreiche Bäume entwurzelt.

In Berlin wurden wegen des Sturmtiefs Xavier zahlreiche Bäume entwurzelt.

Foto: Maurizio Gambarini

Berlin. „Xavier“ ließ letzte Woche in der Nordhälfte Deutschlands flächendeckend den Schienenverkehr zusammenbrechen. Hunderttausende Fahrgäste strandeten. Gerhard J. Curth, Präsident des Deutschen Bahnkundenverbandes, zieht im Interview mit unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff eine Bilanz des Krisenmanagements.

Wie fanden Sie die Reaktion der Bahn am Donnerstag?

Gerhard J. Curth: Zwiespältig. Es war richtig, alle Züge im Sturmgebiet erst einmal stehen zu lassen. Bei einem solchen Naturereignis gilt: Der sicherste Zug ist der, der gar nicht fährt. Aber die Informationen für die Kunden hätten besser sein können. Wenn man sich stundenlang an den Schalter anstellt und dort dann etwas erfährt, was auch über Lautsprecher hätte durchgesagt werden können, dann ist das nicht zu entschuldigen.

Oder dass einige Kundencenter pünktlich um 20.00 Uhr schlossen.

Gerhard J. Curth: Das sind so Pannen, die dürften nicht passieren. Das war wahrscheinlich der normale Dienstplan und die Betreffenden haben sich gesagt, wenn sie keine anderen Weisungen bekommen, machen sie eben Feierabend. Das Personal, das direkt am Kunden ist, gehört meist zu den letzten, die belastbare Informationen haben. Das vergrößert nur den Ärger.

Dann liegt das Problem in den Bahnzentralen.

Gerhard J. Curth: Solche Katastrophen halten sich nicht unbedingt an die zuvor aufgestellten Krisenpläne. Man hat am Donnerstag erst einmal sicherheitshalber nichts mehr fahren lassen. Und dann musste man vor Ort jeweils schauen, wie stark welche Strecke blockiert ist und wann sie wieder frei sein kann. Man kann eben nach unten nicht Informationen weiter geben, die man selbst auch noch gar nicht hat.

Extremwetter werden im Zuge des Klimawandels öfter vorkommen. Muss die Bahn aus „Xavier“ lernen.

Gerhard J. Curth: Ja, aus jedem derartigen Ereignis. Und jedes ist anders. Wenn die nächste Katastrophe zum Beispiel Brücken wegreißt, dann ist das wieder ein neues Problem. Das Ganze ist ein Prozess.

Muss das Baum-Management verändert werden? Es war doch überraschend, wie viele Bäume so nahe an den Gleisen stehen, dass sie sie im Sturmfall blockieren können.

Gerhard J. Curth: Es gibt bereits klare Vorschriften über die Abstände. Jetzt flächendeckend alle Bäume noch weiter von den Gleisen zu entfernen, ist kaum machbar. Außerdem: Was ist dann mit Gebäuden im Nahbereich der Schienen? Die müssten dann auch weg, denn die Dächer können auch im Sturm herunterfallen.

Muss die Bahn ihre Kooperation mit Busunternehmen verbessern, um in solchen Situationen handlungsfähiger zu sein?

Gerhard J. Curth: Eigentlich ist der Schienenersatzverkehr Vertragsbestandteil mit den Ländern und Kommunen. Das hat aber am Donnerstag wohl nicht überall funktioniert, was für mich erneut zeigt: Katastrophenschutzpläne sind das eine, die Wirklichkeit ist dann das andere.

Werden die Bahnkunden ausreichend entschädigt?

Gerhard J. Curth: Ja, sogar über die Verpflichtungen der Bahn hinaus. Eigentlich ist das ein Naturereignis, und die Bahn müsste die Fahrkarten nicht erstatten. Dass sie es macht, finden wir sehr gut. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich die Bahn das Geld vom Bund wiederholt.

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