Aussteiger: Wie der Salafist Musa wieder zu Dominic wurde

Dominic Schmitz (28) alias Musa al-Almani aus Rheydt ist aus der Salafistenszene ausgestiegen — und warnt vor ihrem Fanatismus.

Aussteiger: Wie der Salafist Musa wieder zu Dominic wurde
Foto: Scherhaufer, Hans

Düsseldorf. An die 2600 Nutzer haben sich das aktuelle Video von Dominic Schmitz bei Youtube angesehen. In dem Portal, in dem Klicks gleichbedeutend sind mit Aufmerksamkeit und selbst verwackelte Schminktipps von Teenagern Zehntausende Klicks einheimsen, bewegt Schmitz sich damit quasi im toten Winkel des Interesses. „Einmal Salafismus und zurück — Drohungen, Umzug & mein Buch!!!“ hat Schmitz seine neue Videobotschaft betitelt.

Aussteiger: Wie der Salafist Musa wieder zu Dominic wurde
Foto: Ullstein Verlag

MusaAlmani heißt Schmitz’ Youtube-Kanal. Musa ist die arabische Version von Moses, Almani bedeutet deutsch. Musa al-Almani; Moses, der Deutsche. So nannte Schmitz sich, als er noch Anhänger des radikalen Salafismus war. Das war er bis vor drei Jahren. Heute hat der 28 Jahre alte Konvertit aus Mönchengladbach-Rheydt sich von den Steinzeit-Islamisten losgesagt. So leben wie Prophet Mohammed es vor 1400 Jahren gemacht haben soll, will Schmitz nicht mehr. Moslem ist er immer noch. Hallo und Salam. So begrüßt Dominic die Zuschauer.

Salam spricht er Säläm aus. Säläfisten — so nennen sich Salafisten selbst. Als ehemaliger Hardcore-Islamist ist Schmitz nicht zu erkennen. Die Haare zur Seite gegelt, der fusselige Kinn- und Backenbart von einst ist kurz geschoren. Hinter ihm ist ein Bild mit Kaffeehausmotiven zu sehen — so wie es Jungfamilien sich gern in die Küche hängen.

Schmitz’ Gesichtszüge sind rund und weich, ein wenig klingt das niederrheinische Idiom durch. So ähnlich wie Prediger Pierre Vogel spricht, eines der Schreckgespenster der deutschen Sicherheitsbehörden. Vogel (37) aus Frechen und Schmitz aus Rheydt waren früher Kumpel. Brüder nennen Moslems sich untereinander.

Aus Sicherheitsgründen hat er Mönchengladbach verlassen

Mönchengladbach hat Dominic, sein alter Vorname ist ihm heute lieber als Musa, vor ein paar Tagen verlassen. Aus Sicherheitsgründen ist er nach Köln gezogen, kurz bevor sein Buch in den Handel gekommen. Köln ist ja groß, hofft Schmitz. Nahezu täglich wird er von seinen alten Kumpanen, immer noch Brüder, bedroht. „Der Verfassungsschutz hat mir geraten, diese Drohungen sehr ernstzunehmen“, sagt er. „Ich war ein Salafist“ heißt sein Buch. „Meine Zeit in der islamischen Parallelwelt“, so der Untertitel. Die Parallelwelt hatte ihren Eingang in einem Gebetshaus in Eicken, einem nördlichen Stadtteil Mönchengladbachs, der als Geburtsstätte der Borussia gilt.

Mit Fußball hatte Schmitz als 17-Jähriger wenig am Hut. Schon morgens begann er im Kinderzimmer in der Wohnung seiner Mutter zu kiffen, hatte mit einem Realschulabschluss und sehr wenig Selbstbewusstsein kaum eine Perspektive und auch keinen Bock, sich eine zu verschaffen. Bis eines Tages Kumpel Rachid vor der Tür stand — irgendwie verändert, irgendwie gefestigt. Dominic war beeindruckt von Rachid, der das Geschwätz über Partys, Mädchen und Kiffen ersetzt hatte mit der Ideologie der Salafisten, die scheinbar für alles eine Lösung kennt.

Heute ist Schmitz klar, dass er gezielt angeworben worden war. Unsicherheit ist häufig der Mutterboden, auf der Fanatismus gedeiht. Er begann, im Koran zu lesen, die Moschee zu besuchen, Predigern zu lauschen — und fand seinen Platz in der Gemeinschaft der Salafisten, zu der auch Sven Lau (35) gehörte. Der ehemalige Feuerwehrmann aus Mönchengladbach gilt wie Vogel als führender Kopf des deutschen Salafismus. Lau sitzt seit Dezember in Untersuchungshaft, weil er eine Terrororganisation unterstützt haben soll. Auch die Wuppertaler Scharia-Polizei geht auf Laus Konto. Schnell tickte Dominic selbst wie die Prediger. Gehorsam war erste Pflicht, das Studium des Korans Alltag in der Moschee, die mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt wurde — schnell kam Da’wa, die Missionsarbeit, hinzu. Dominic verteilte den Koran in Fußgängerzonen, brachte Flugblätter unter die Leute, klingelte im Kaftan an Türen.

Innerhalb weniger Monate radikalisierte sich der Konvertit

Weniger als drei Monate hatte es von Rachids erstem Besuch bis zu Schmitz Konversion zum Islam gedauert. Genauso schnell ging die Radikalisierung. Die Salafisten sehen sich als verfolgte Minderheit, die sich zur Wehr setzen muss; in Eicken wurde viel über Gewalt diskutiert. Viele Brüder machten sich auf in den Dschihad. Schließlich heiratete Musa eine deutsche Konvertitin, die er bis dahin kaum kannte. Eine arrangierte Ehe. „Der größte Fehler meines Lebens.“

Heute spricht Schmitz offen darüber, nicht nur bei Youtube, sondern auch vor Schulklassen. Dort erzählt er auch, wie der Prozess der Ablösung von den Salafisten verlief. Die Zweifel an seiner Ehe, an den strengen Gesetzen, die keinerlei Widerspruch zulassen, Zweifel daran, keinen Kontakt mehr zu alten Freunden, zu den Ungläubigen, haben zu dürfen. Zweifel für Zweifel, Schritt für Schritt in Richtung Ausstieg aus der Szene. Drei Jahre habe das Ganze gedauert. „Ideologisch habe ich heute damit abgeschlossen.“

Natürlich sei seine Vergangenheit immer noch Thema, auch in seiner neue Beziehung. Früher hatte Dominic davon geträumt, „Papa Musa“ zu sein, der mit Frau und Kindern ein gottgefälliges Leben nach salafistischen Regeln führt. Heute sieht er sich als „Papa Dominic“ — vielleicht mit Kindern, aber sicher mit einem Wunsch für die Zukunft: „Ich will nicht mein Leben lang der Salafismus-Aussteiger bleiben.“

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