Nach dem Kompromiss von CDU und CSU Asylstreit: Seehofer-Festspiele, nächster Akt

Der Innenminister wird im Bundestag scharf attackiert. Der CSU-Chef kontert mit seinen Arbeitsnachweisen. Die Kanzlerin lässt sich den Auftritt nicht entgehen.

 Der Unionsstreit hat seine Spuren hinterlassen: Horst Seehofer (CSU) wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande der Plenarsitzung im Bundestag einenunfreundlichen Blick zu. Foto: dpa

Der Unionsstreit hat seine Spuren hinterlassen: Horst Seehofer (CSU) wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande der Plenarsitzung im Bundestag einenunfreundlichen Blick zu. Foto: dpa

Foto: Bernd von Jutrczenka

Berlin. Es ist der nächste Akt der Horst-Seehofer-Festspiele, und vermutlich nicht der letzte. Zu Beginn der Haushaltsdebatte im Bundestag gestern reibt sich der Innenminister erst einmal die Augen. Die Woche war hart bisher. Und jetzt gibt es schon wieder einiges um die Ohren. Seehofer kann störrisch wie ein Esel alles über sich ergehen lassen. Doch diesmal muss er kontern. Geht nicht anders. Der Bayer versucht es mit Arbeitsnachweisen.

Kanzlerin Angela Merkel ist gekommen. Sie hätte es halten können wie ihr Innenminister, der zuletzt gerne mal geschwänzt hat, wenn sie im Parlament geredet hat. Doch am Abend ist Koalitionsausschuss. Die Kanzlerin sucht deshalb demonstrativ zunächst das Gespräch mit SPD-Chefin Andrea Nahles, mit dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Mit Seehofer spricht sie erst nach seiner Rede. Sehr distanziert, ohne Lächeln. Der dramatische Asylstreit der Union mit Seehofers Rücktritt vom Rücktritt ist erst gut 72 Stunden her.

CDU-Mann Klaus-Dieter Gröhler ruft allen Ernstes: „Wir erleben gerade eine gute Woche der deutschen Innenpolitik.“ Vielleicht meint er den 14 Milliarden Euro umfassenden Haushalt des Innenministers, der im Parlament verabschiedet wird; über fünf Milliarden davon sind für die innere Sicherheit. Oder die geplanten Transitzentren an der bayerisch-österreichischen Grenze, die als Kompromiss den Asylstreit von CDU und CSU zumindest vorerst befriedet haben. Aber eine gute Woche war das bestimmt nicht, weder für die Innenpolitik noch für Seehofer, weder für Merkel noch für die Koalition.

So sieht das auch die Opposition. Der AfD-Abgeordnete Martin Hess wirft dem CSU-Chef „Realitätsverweigerung“ vor. Die Rückführung von Flüchtlingen „ist ohne effektive Grenzkontrollen völlig sinnlos“. FDP-Mann Stefan Ruppert spricht vom „Chaos der letzten Tage“, der Linke Victor Perli hält Seehofers Bilanz für „düster“. Er wolle Flüchtlinge an der Grenze in „geschlossenen Lagern unterbringen“, schimpft die Grüne Irene Mihalic. Sie wirft der Bundesregierung vor, sie wolle Deutschland „abschotten“. Eine echte Bekämpfung von Fluchtursachen finde nicht statt. „Das alles geschieht getrieben von Angst vor dem parteipolitischen Rechtsextremismus“, sagt Mihalic und deutet in Richtung der AfD-Abgeordneten. Sie fügt hinzu: „Aber den rechtsextremen Geist bekämpft man eben nicht, indem man ihn selbst atmet.“ Und an Seehofer gewandt betont sie: In den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit habe der Bayer nicht einen Arbeitsnachweis erbracht. Selbst der Koalitionspartner SPD ruft Seehofer zu: „An die Arbeit!“

Das sind Kinnhaken, die ihn schmerzen. Der erste Satz seiner Rede lautet daher: „Ich habe fünf Arbeitsnachweise.“ Sein Haushalt setze neue Maßstäbe; das Bamf werde reformiert; im Baubereich gebe es unter anderem durch das Baukindergeld eine Offensive — und selbst der Sport bekomme mehr Geld. Zu guter letzt sagt Seehofer: „Arbeitsnachweis Nummer fünf: Migration.“ Dass Menschen einreisten, die nicht einreisen dürften, „dieser Spuk ist jetzt beendet“. Die geplanten Transitzonen seien zudem keine „geschlossenen Anstalten“; wer dort für 48 Stunden untergebracht sei, dürfe zwar nicht einreisen, aber jederzeit „in alle Länder zurück“.

Bei den geplanten EU-Abkommen zu den Rückführungen spielt der Innenminister den Ball zurück zur Kanzlerin. Wegen der Komplexität müssten am Ende die wichtigsten Punkte „von den Regierungschefs fixiert werden“, so Seehofer. Mit ihm gebe es eine „echte Asylwende in unserem Land“. Die Union applaudiert, der Koalitionspartner SPD jedoch nicht.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, kritisiert: „Erst schiebt es die Bundeskanzlerin dem Innenminister zu, und dann schickt sich dieser an, es auf ihren Schreibtisch zu schieben.“ Die Bevölkerung verliere immer mehr die Geduld mit diesem „unwürdigen Schauspiel“, meint Buschmann.

Wenn er noch Zeit hätte, würde er noch sieben weitere Arbeitsnachweise nennen, sagt Horst Seehofer derweil. Geht aber nicht. Er muss nach Wien. Dort trifft er am Nachmittag Kanzler Sebastian Kurz. Dessen Hilfe benötigt der deutsche Innenminister nun dringend. Für einen weiteren Arbeitsnachweis.

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