60 Exoten-Parteien wollen in den Bundestag

Der Wahlausschuss macht es sich mit der Entscheidung über die Zulassung nicht leicht.

Berlin. Renee Büttner hat es geahnt. „Ich wusste, dass es schwer wird. Mit so wenig Mitgliedern.“ Soeben hat der Bundeswahlausschuss beschlossen, dass Büttners Partei „Die Neue Demokratie“ nicht zur Bundestagswahl zugelassen wird. Weil sie nur sieben Leute zählt. „Das ist wohl eher eine gepflegte Doppelkopfrunde bei Ihnen“, sagt Ausschussmitglied Hartmut Geil.

Büttner nennt sich „Generalsekretär“ und beantwortet dem elfköpfigen Gremium, darunter acht Vertreter der Bundestagsparteien, alle Fragen breit berlinernd. Er zieht das Wahlprogramm aus seiner mit Pferdefotos verzierten Mappe. Der Slogan lautet: „Erst das Pferd, dann der Reiter.“ Büttner versteht das als oben und unten in der Gesellschaft. Außerdem erklärt er, dass es seiner Partei gar nicht so sehr um die Bundestagswahl geht. Ziel sei 2014 die Landtagswahl in Brandenburg, aber dazu möchte man schon jetzt auf den Wahlzetteln stehen. „Eine bessere Öffentlichkeitsarbeit jib et jar nich.“ Das gibt seinem Antrag den Rest.

Die rund 60 Bewerbungen kommen von ganz links bis ganz rechts. Viele sind auch gar nicht zuzuordnen, wie die „Bergpartei, die ÜberPartei“ oder die Partei „NEIN!-Idee“, deren Vertreter erklärt, die Idee bestehe darin, im Bundestag gegen alles mit Nein zu stimmen — außer gegen Volksentscheide. „Wir können unser Wahlversprechen leicht halten.“ Beide bestehen den Test.

Denn inhaltlich prüft der Ausschuss die Parteien nicht. Und wer schon im Bundestag oder in einem Landtag vertreten ist, darunter die NPD oder die Freien Wähler, ist ohnehin zugelassen. Es geht bei den Exoten um formelle Kriterien.

Ist die „Beteiligungsanzeige“ rechtzeitig eingegangen? Trägt sie die Unterschriften von einem korrekt gewählten Vorstand? Gibt es eine Satzung? Daran scheitert rund ein Drittel der Bewerber, von der „Muslimischen Demokratischen Union“ bis zu der Partei „Deutsches Reich“.

Bundeswahlleiter Roderich Egeler trägt vor, was die „Vorprüfung“ jeweils ergeben hat. Meist wird im Zweifel für die Zulassung entschieden. Dem Ausschuss sitzt noch die Kritik der OECD nach der jüngsten Bundestagswahl im Nacken. Seitdem können abgelehnte Bewerber vor dem Verfassungsgericht klagen. Ohnehin ist für eine Ablehnung eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich.

Der „Bund für Gesamtdeutschland“ ist so ein Zweifelsfall. Es ist ein Rentnertrupp aus dem Ruhrgebiet, angeführt von Horst Zaborowski, der die deutsche Volksgemeinschaft wiederherstellen will, inklusive Schlesien, jedoch ohne alle Ausländer. Das interessiert hier im Wahlausschuss nicht. Hier interessiert, dass der Verein nur 80 Mitglieder hat. „Viele sterben weg“, sagt Zaborowski. Egeler nickt verständnisvoll. Bei der jüngsten Landtagswahl in NRW gab es nur 83 Stimmen, meint ein Ausschuss-Mitglied. „Ist doch logisch“, sagt Zaborowski. „Unsere Ideen kommen nicht an.“ Es wird abgestimmt. Sechs Ausschussmitglieder sind für die Zulassung, fünf dagegen. Der „Bund für Deutschland“ wird also am 22. September auf den Stimmzetteln stehen. Aber nur in jenen Ländern, wo er mindestens 2000 Unterschriften vorzeigen kann.

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