Harte Worte gegen den IS-Terror, aber eine Strategie hat Obama nicht
Nach der Enthauptung eines zweiten Journalisten stimmt der US-Präsident seine Landsleute auf einen langen Kampf ein.
Die Nachricht vom Tod einer zweiten US-Geisel kam für Barack Obama zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der amerikanische Präsident saß praktisch schon im Flugzeug in Richtung Baltikum und zum Nato-Gipfel in Wales — zwei Termine, bei denen er Entschlossenheit, Härte und Führungskraft demonstrieren will. Die Enthauptung eines US-Bürgers durch islamistische Terrormilizen im Nahen Osten passt da nicht recht ins Bild.
Obama, der Medienmann, zog es denn auch erst einmal vor abzutauchen. Ohne jeden Kommentar joggte er demonstrativ locker die Gangway zur „Air Force One“ empor — doch auf dem Nachtflug nach Tallinn hat er wohl kaum viel Schlaf gefunden.
Zwar war der grausame Tod des Journalisten Steven Sotloff bei seinem Blitzbesuch in Estland eher ein Randthema. Doch Obama setzte eine eiserne Miene auf, schwor Härte und Vergeltung. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagte er. „Wir werden für Gerechtigkeit sorgen.“ Und: „Wir werden nicht vergessen.“ Vollmundig sprach er von der „Vernichtung“ der Milizen Islamischer Staat (IS).
Nur eines verriet Obama nicht: Wie er den Kampf gegen die IS-Milizen zu führen gedenke. Erst jüngst hatte Mr. President nicht nur bei der Opposition in den USA Kopfschütteln ausgelöst, als er unumwunden und öffentlich zugab, dass er „noch keine Strategie“ im Kampf gegen die IS habe. Auch die Gretchenfrage, ob die US-Kampfjets demnächst auch IS-Stellungen in Syrien angreifen werden, ließ Obama in Tallinn offen. Seit Wochen setzen die USA den brutalen IS-Milizen mit Luftschlägen im Irak erheblich zu.
Vor allem Republikaner fordern vehement Luftangriffe auch in Syrien — selbst dann, wenn dies als unwillkommenen „Nebeneffekt“ Entlastung für den syrischen Herrscher Baschar al-Assad bedeuten könnte. Im Weißen Haus und im Pentagon werden entsprechende Pläne längst diskutiert. Eigentlich war eine Entscheidung bereits am Wochenende erwartet worden. Doch offenbar ist Obama noch unschlüssig. Grundsätzlich sind sich Regierung und Opposition in Washington einig: Die Verbrechen der IS seien praktisch eine „Kriegserklärung an Amerika“. Die Terrormiliz hatte nicht lange gezögert, um ihre Drohung wahr zu machen.
Erst musste Journalist James Foley sterben, jetzt sein Kollege. „Ich bin zurück, Obama. Und ich bin zurück wegen deiner arroganten Außenpolitik gegenüber dem Islamischen Staat“, sagt der vermummte Mann auf dem Video. „So wie deine Raketen weiter unsere Leute treffen, werden unsere Messer weiter die Hälse deiner Leute treffen“, sprach er weiter — ein bizarrer, ein gespenstischer Auftritt. Und eine direkte Provokation an die USA.
Immer mehr gerät Obama unter Druck, in Tallinn blieb er viele Antworten schuldig. Nur eines machte Obama klar: Der Kampf gegen die IS-Miliz wird nicht über Nacht gewonnen.