Gymnasiasten nach Religion getrennt

An vier Berliner Gymnasien kommen Jugendliche aus Zuwandererfamilien in separate Klassen.

Berlin. Vier Berliner Gymnasien sortieren ihre Schüler nach ethnischer Herkunft und Religionszugehörigkeit in getrennten Klassen. An diesen Schulen in den Bezirken Reinickendorf, Tempelhof und Schöneberg bilden beispielsweise alle Schüler eine eigene Klasse, die dem muslimischen Glauben angehören oder sprachlich noch Defizite haben.

Dieses Vorgehen bestätigte der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Land Berlin, der türkischstämmige Özcan Mutlu, gegenüber unserer Zeitung. "Mir haben aufgebrachte Eltern von dieser Praxis berichtet, worauf ich eine Anfrage beim Senat gestellt habe", sagte Mutlu.

Die Senatsverwaltung berichtete, dass es nach Ethnien getrennte Klassen gibt und nannte als Beispiel das Askanische Gymnasium in Tempelhof. Die Schule begründete ihr Verfahren gegenüber dem Senat mit einer leichteren Organisation der Stundenpläne. Die Klassen könnten so geschlossen am Religionsunterricht teilnehmen.

"Das Argument, die Trennung erleichtere die Erstellung der Stundenpläne, ist an den Haaren herbeigezogen. Eine solche Trennung der Schüler widerspricht jeder Integrationsbemühung", sagte Mutlu. Zudem gebe es für die betroffenen Eltern kaum Chancen, sich zu wehren. Denn meist wird ihren Kindern erst am ersten Schultag mitgeteilt, wie sich die Klassen zusammensetzen.

"Es ist sehr positiv, dass nun immer mehr Eltern mit Migrationshintergrund ihre Kinder auf Gymnasien schicken. Doch dort bekommen sie jetzt durch diese Praxis leider den Eindruck, dass sie dort nicht erwünscht sind", sagte der Grünen-Sprecher. "Mir haben Eltern davon berichtet, dass sie ihre Kinder in gemischte Klassen schicken wollen. Das wurde mit Hinweis auf den fertigen Stundenplan abgelehnt."

Der Vorsitzende des Türkischen Bundes Berlin, Safter Cinar, hat nach eigener Aussage erfahren, dass es an diesen Schulen den Wunsch deutscher Eltern gibt, dass ihre Kinder nicht mit "Ausländern" in eine Klasse gehen. "Wenn jetzt vier Gymnasien diesem Wunsch entsprechen, um mehr Schüleranmeldungen zu bekommen, ist das einfach unerträglich", sagte er.

Wie sich eine Schüler-Trennung nach Herkunft auswirkt, erlebt gerade die Berliner Gustav-Falke-Grundschule. Deren Schüler hatten bisher zu 90 Prozent ausländische Wurzeln. Daraufhin hatte die Grundschule im vergangenen Jahr eine Deutschgarantie für eine 1. Klasse abgegeben. Seitdem sind die Anmeldezahlen laut Mutlu um 50 Prozent gestiegen.

Der Vorsitzende des Philologen-Verbands NRW, Peter Silbernagel, wunderte sich, als er gestern von der Praxis erfuhr, Gymnasialklassen nach Religionszugehörigkeit zu bilden. "Wie sollen die Kinder untereinander in Kontakt kommen, wenn man alle muslimischen Schüler in eine Klasse steckt?" Für ihn sei dieses Vorgehen "nicht richtig". Vielmehr müssten Wege gefunden werden, "sehr viel mehr Schüler mit Migrationshintergrund in die Gymnasien zu bringen". Hier liege der Anteil momentan gerade mal bei sieben Prozent - gegenüber durchschnittlich 30 Prozent an Grundschulen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Norbert Müller, glaubt nicht, dass ein Gymnasium in Nordrhein-Westfalen Klassen nach ethnischen Gesichtspunkten zusammenstellt. "Ich kann mir aber vorstellen, wie es unter dem Druck aus der Elternschaft zu einer solchen Situation kommt", sagte er.

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