Für eine Welt ohne Atomwaffen

Vier frühere deutsche Spitzenpolitiker starten eine Initiative für Abrüstung.

Berlin/Düsseldorf. Sie sind nicht nur deutsche Spitzenpolitiker außer Dienst; sie sind lebende Denkmäler, die im In- und Ausland höchstes Ansehen genießen: Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), der Architekt der Entspannungspolitik, Egon Bahr (SPD), und Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU). Nun haben sie sich zu einem außergewöhnlichen Schritt entschieden und erstmals einen gemeinsamen Zeitungsbeitrag verfasst. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von Freitag fordern sie nicht weniger als eine atomwaffenfreie Welt.

Dass der Aufruf wenige Tage vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten erfolgt, ist kein Zufall. "Wir setzen auf Barack Obama", sagte Genscher am Donnerstag auf Anfrage unserer Zeitung. Die USA und Russland müssten nun den Anfang machen und miteinander über Abrüstung sprechen, da sie über die meisten Atomwaffen verfügten. Aber nur über eine enge Zusammenarbeit dieser beiden Mächte mit Europa und China könnten auch Staaten einbezogen werden, die nach Atomwaffen strebten.

Wer von den vier deutschen Staatsmännern die Federführung hatte und ob die Initiative mit der Bundesregierung abgestimmt sei, wollte Genscher nicht verraten. "Jeder von uns ist eine unabhängige Persönlichkeit", sagte er nur gewohnt diplomatisch.

Die vier Alt-Politiker fordern, das Angebot des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew für eine neue europäische Sicherheitsstruktur müsse ernsthaft geprüft werden. Die Pläne der USA für ein System zur Raketenabwehr in Osteuropa seien dabei nicht hilfreich, schrieben Schmidt, Weizsäcker, Genscher und Bahr. Weil Deutschland selbst auf Massenvernichtungswaffen verzichtet habe, sei es in einer guten Position, die Atomwaffenstaaten zu verpflichten, ihre Waffen nicht gegen Länder einzusetzen, die nicht nuklear bewaffnet seien.

In dem Zusammenhang fordern die Autoren die USA auf, alle Kernwaffen aus Deutschland abzuziehen. Nach Angaben von Rüstungsexperten lagern derzeit mindestens 30 Atomsprengköpfe in Deutschland. Offizielle Angaben dazu gibt es nicht.

Der gemeinsame Zeitungsartikel ist Genscher zufolge eine Reaktion auf einen ähnlichen Beitrag der früheren US-Außenminister Henry Kissinger, George Shultz und William Perry sowie des früheren Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im US-Senat, Sam Nunn, im "Wall Street Journal" im Januar 2007. In dem Artikel forderten die Staatsmänner globale Anstrengungen, um die Zahl der Atomwaffen zu reduzieren.

Der Krefelder Bundestagsabgeordnete und Ex-Verteidigungs-Staatssekretär Willy Wimmer (CDU) sieht die Chance, dass sich die vier Alt-Politiker mit ihrem Vorstoß beim neuen US-Präsidenten Gehör verschaffen. Wimmer betonte "die Klugheit, die politische Kompetenz und den Erfindungsreichtum, mit denen Hans-Dietrich Genscher bereits in der Vergangenheit deutsche Belange unter schwierigen Umständen umgesetzt hat. An diesem neuen Appell werden die USA nicht vorbeikommen".

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