Forschungsgruppe Wahlen : Ansehen der Kanzlerin sichert Unionssieg

Berlin/Mannheim. Das gute Ansehen von BundeskanzlerinAngela Merkel (CDU) und ihre Arbeit in den vergangenen Jahren habennach Einschätzung der Forschungsgruppe Wahlen der Union den Wahlsiegbeschert.

Merkel habe damit die teils erheblichen Vertrauensverluste indie Sachkompetenzen von CDU und CSU kompensiert, teilten dieWahlforscher am Sonntagabend in Mannheim mit. Außerdem sei es derCDU-Chefin gelungen, SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier in derKanzler-Frage klar zu distanzieren.

Gewinner der Bundestagswahl sind auch die kleineren Parteien: Sie sindAngaben der Forschungsgruppe gemeinsam so stark wie nie zuvor in derGeschichte der Bundesrepublik. FDP, Grüne und Linke seien ausnahmslosauf dem Weg zu Rekordergebnissen, teilten die Demoskopen mit. Sieprofitierten von einem stark gestiegenen Ansehen.

Auf der +5/-5-Skala werden die FDP mit 0,6 (2005: 0,0) und die Grünenmit 0,6 (2005: minus 0,2) klar verbessert, und die Linke mit minus 1,5(2005: minus 2,4) weit weniger negativ als zuletzt eingestuft. Die SPDkann sich auf 1,1 (2005: 0,8), die Union auf 1,2 (2005: 0,9)verbessern.

Für die SPD, die sich zum Erhalt einer realistischen Machtoptionjenseits der Union neu ausrichten muss, markiere die Bundestagswahleinen historischen Tiefpunkt. Die Partei kämpfte nach Ansicht derDemoskopen mit einem strategischen Dilemma: Neben einer stärker in dieMitte gerückten Union verliert sie nach links Wähler, deren Wünsche sieals Regierungspartei nicht bedienen kann. Hinzu kommt die gesunkeneWahlbeteiligung, die nach einem themenarmen, nicht polarisierendenWahlkampf auf ein signifikantes Mobilisierungsdefizit der SPD verweist.

Die Union konnte dagegen vor allem mit dem guten persönlichen ImageMerkels punkten, die mit insgesamt 1,9 und positiven Noten in allenLagern das höchste Ansehen eines Kanzlerkandidaten bei einerBundestagswahl nach 1990 erzielt. Basis hierfür ist lautForschungsgruppe Wahlen eine ausgezeichnete Leistungsbilanz, wo ihrähnlich wie in der gesamten Legislaturperiode 78 Prozent eher gute undnur 18 Prozent eher schlechte Arbeit bescheinigen.

Zwar würden von einem Kanzler Steinmeier in der Sache 58 Prozent nichtviel anderes erwarten (besser: 15 Prozent; schlechter: 19 Prozent), undauch beim Eigenschaftsvergleich sieht die Mehrheit der Bürger nachDarstellung der Demoskopen oft keinen Unterschied. Doch im Detail giltdie Kanzlerin als glaubwürdiger und sympathischer, als weitausdurchsetzungsfähiger sowie als diejenige, die Deutschland besser ausder Krise führen kann. Folge: 56 Prozent wollen lieber Angela Merkelund 33 Prozent Frank-Walter Steinmeier als Regierungschef (weiß nicht:11 Prozent).

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, eindeutig größtes Problem für dieDeutschen, vertrauen nach 41 Prozent 2005 jetzt noch 29 Prozent auf dieCDU/CSU, unverändert 21 Prozent (2005: 21 Prozent) nennen die SPD.Kompetenzeinbußen gibt es für die Union auch in den Bereichen Bildungund Steuern, wo immer mehr Bürger bei überhaupt keiner ParteiSachverstand sehen.

Die Linke erzielt ihren relativ höchsten Zuspruch mit zehn Prozent inder Sozialpolitik beziehungsweise mit 15 Prozent in Ost-West- Fragen,die Grünen mit neun Prozent im Familienbereich und die FDP mit elfProzent bei den Steuern. Dass diese nach der Wahl gesenkt werden,bezweifeln aber nicht nur 90 Prozent aller Deutschen, sondern auch 87Prozent der FDP-Anhänger.

Die zentrale Stütze des Wahlsieges der CDU/CSU sind einmal mehr dieüber 60-Jährigen: Hier holt die Union 40 Prozent, bleibt aber in allenanderen Altersgruppen unter ihrem Gesamtresultat. Auch die SPD erzieltmit 30 Prozent bei den über 60-Jährigen ihr bestes Ergebnis. Bei denunter 30-Jährigen hat sie mit minus 17 Prozentpunkten dramatischeEinbußen, kommt noch auf 17 Prozent und liegt auf einem Niveau mit derFDP (17 Prozent; plus fünf).

Die Grünen sind bei den unter 30-Jährigen mit 15 Prozent (plus vier)ebenfalls stark, die Linke holt in den Altersgruppen bei den 45- bis59-Jährigen mit 14 Prozent (plus vier) ihr bestes Ergebnis. Eindeutigstärkste Partei wird die Linke bei arbeitslosen Wählern mit 32 Prozent(plus sieben), die SPD kann diesen Status als stärkste Partei mit 35Prozent (minus 13) nur noch bei Gewerkschaftsmitgliedern halten.

In Bündnisfragen kommt es zu einer Polarisierung zwischen Schwarz- Rotund Schwarz-Gelb, wobei keine Variante wirklich überzeugt: Eine großeKoalition fänden 37 Prozent gut, 39 Prozent schlecht und 21 Prozentegal. Schwarz-Gelb bewerten 39 Prozent positiv und 41 Prozent negativ(egal: 16 Prozent). Stark profitiert von der Koalitionsdiskussion hatdie FDP, da 32 Prozent ihrer Wähler prinzipiell der CDU/CSU näherstehen.

Nach vier Jahren großer Koalition bringt das Wahlergebnis nach Ansichtder Demoskopen eine Wiederbelebung der klassischen Lagerorientierungauch im Verhältnis von Regierungs- und Oppositionsparteien. Parallelsetzt sich mit dem großen Erfolg der kleineren Parteien einlangfristiger Basistrend fort, der von allen Parteien zukünftig mehrFlexibilität auf dem Koalitionsmarkt erfordert.

Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung derForschungsgruppe Wahlen unter 1657 zufällig ausgewähltenWahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl sowie aufeiner Befragung von 21 061 Wählern am Wahltag.

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