Finanzkrise: „Präsident Cool“ kann auch anders

Erstmals wurde die Welt Zeuge eines kalkulierten Wutausbruchs von Obama. Den US-Präsidenten ärgern die maßlosen Manager.

Washington. Die Amerikaner sind beeindruckt: "Der coolste Präsident" in der Geschichte ist also doch fähig, sich richtig zu ärgern. Bei einem Auftritt im Weißen Haus ließ Barack Obama seinem Zorn über die maßlosen Gehälter der Bankmanager freien Lauf.

Damit machte er zum einen klar, dass die neue US-Regierung nicht weiterhin gutes Geld dem schlechten hinterher schmeißen will. Vielmehr sollen Finanziers, die trotz der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten partout ihren Lebensstil nicht ändern wollen, künftig zur Rechenschaft gezogen werden.

Für eine faszinierte US-Öffentlichkeit zählt aber etwas anderes: dass nämlich der mächtigste Mann im Lande, bisher der Inbegriff kühler Gelassenheit, sich tatsächlich aufregen kann.

Unklar war der Pressemannschaft im Weißen Haus, warum ausgerechnet dieser Fototermin dem Präsidenten so wichtig erschien, ging es doch lediglich darum, seinen neuen Finanzminister Timothy Geithner vorzustellen. "Achte bitte darauf, dass alle dabei sind", hatte Obama zuvor seinen Pressesprecher Robert Gibbs angewiesen.

Nachdem er ein paar freundliche Worte über jenen Minister verlor, der Amerika aus der Krise führen soll, zog der Führer der freien Welt dann vom Leder. Er habe soeben einen Zeitungsbericht über die finanziellen Exzesse an der Wall Street gelesen, der ihn kolossal geärgert habe, sagte Obama.

Er wirkt nachdenklich, runzelt die Stirn, zögert ein paar Sekunden und echauffiert sich dann über Bankmanager, deren verschwenderisches Gebaren in Zeiten wie diesen "der Gipfel der Verantwortungslosigkeit" sei.

Ende 2008 wurden 20 Milliarden Dollar an Boni ausgezahlt, genauso viel wie vier Jahre zuvor, wettert ein sichtlich irritierter Präsident. Doch während damals noch Gewinne eingefahren wurden, haben die maroden Geldhäuser im Vorjahr 35 Milliarden Dollar an Verlusten gemacht.

Schlimmer noch: Die Banken haben vom Staat sage und schreibe 700 Milliarden Dollar kassiert und schicken bereits ihre Lobbyisten mit der Bettelbüchse nach Washington, um bei der Regierung weitere Steuergelder anzufordern. Zugleich schaffen sie es nicht, für Verbraucher und Unternehmen den Kredithahn aufzudrehen, sondern verwöhnen stattdessen ihre in Saus und Braus lebenden Führungskräfte.

Bei einem Gedanken wird der Präsident richtig sauer: Dass die Manager nämlich den Politikern sowie der Öffentlichkeit vorgaukeln, dass ohne sie das gesamte Finanzsystem in Gefahr sei, die staatlichen Gelder dann aber für neue, luxuriöse Firmenjets, teure Feten und Luxuskarossen vom Feinsten ausgegeben werden.

Als besonders eklatantes Beispiel wird das Verhalten von John Thain angesehen, der nun als Chef des Investmenhauses Merrill Lynch entlassen wurde: Kurz vor Jahresende hatte er mit 300 000 Dollar an Firmengeldern sein Büro renovieren lassen und dann Boni in Milliardenhöhe an Mitarbeiter verteilt. Wenige Tage später aber wurde bekannt, dass Merrill Lynch 15 Milliarden Dollar verloren hatte. Für solches Verhalten hat der neue Präsident nur ein Wort: "Beschämend."

Wie aus Blitzumfragen nach dem Auftritt hervorgeht, sind die Amerikaner von der Offenheit beeindruckt, mit der Barack Obama die Manager an den Pranger stellte, und bewundern zudem sein soziales Bewusstsein. Übersehen wird dabei aber, dass der gesamte Auftritt sorgfältig inszeniert war.

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