Exportprodukt Rechtsstaat

Berlin will mehr Polizeiausbilder nach Afghanistan schicken – doch was erwartet sie dort? Drei Polizisten berichten über ihre Einsätze und die Vorbereitungen.

Düsseldorf/Kabul. Kathrin Vornholt muss noch heute schmunzeln, wenn sie an die erste Begegnung mit ihren Schülern denkt. "Da habe ich in 47 überraschte Gesichter geguckt", erzählt die 31-jährige Polizeikommissarin, die in NRW in einer Einsatz-Hundertschaft arbeitet. Eine Frau als Ausbilderin - das hatten die afghanischen Polizeischüler in Masar-i-Sharif noch nicht erlebt. "Aber dann wurde die Skepsis mit jedem Tag geringer", berichtet Vornholt über ihren zehnwöchigen Einsatz.

Kathrin Vornholt gehörte zu den deutschen Polizisten, die im vergangenen Jahr afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet haben. Verhalten an Straßensperren, Festnahmen - das ist nur ein Teil dessen, was die Münsteranerin ihren Schülern beigebracht hat. Die Bundesregierung will mehr Polizisten schicken, da die Ausbildung in Afghanistan ausgebaut werden soll. Gemessen an Vornholts Erfahrungen ein sinnvolles Ziel. "Es ist ein Erfolg unserer Arbeit dort zu sehen", sagt sie. Die deutsche Ausbildung trage sichtbar zur Verbesserung der Polizei bei. "Hier bekommt man ja nur das Negative mit."

Trotz der hohen Zahl von Opfern gehen die Bewerbungen bei der afghanischen Polizei kaum zurück. Auch beim Team Auslandseinsätze der deutschen Polizei konnte man sich bisher nicht über Bewerbermangel beklagen. Insgesamt 5000 bis 6000 deutsche Polizisten, schätzt Uwe Mainz, Leiter Auslandseinsätze der Polizei NRW, sind in den vergangenen 15 Jahren im Ausland gewesen: im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, Georgien, Moldawien, Liberia und in vielen anderen Teilen der Welt - freiwillig.

Aber seitdem Afghanistan den Schwerpunkt ausmacht und sich die Sicherheitslage dort verschlechtert, hat sich einiges geändert. "Afghanistan ist sehr abschreckend", sagt Mainz. Es werde schwieriger, genügend Freiwillige zu bekommen. Drei Tote hatte die deutsche Polizei in Afghanistan zu beklagen, bei den Ausbildungsmissionen gab es bisher aber zum Glück keine Opfer.

Das mag auch an der intensiven Vorbereitung der deutschen Polizeiausbilder liegen, die Uwe Mainz zurzeit selbst absolviert. In der kommenden Woche wird er zum Ausbildungs-Hauptquartier in Kabul aufbrechen - für ein Jahr. Dann hat der 54-Jährige neben dem Basiskurs eine dreieinhalbwöchige Spezialausbildung für Afghanistan hinter sich. "Es geht vor allem um Gefahrensituationen", erklärt Mainz. Sprengköpfe aller Art, Verhalten bei Schießereien und Überfällen etc.

Sein Kollege Dirk Cramer bestätigt: "Ich bin sehr gut vorbereitet runter gegangen." In eine lebensgefährliche Situation sei er selbst nie geraten, sagt der Paderborner Einsatztrainer, aus der Ferne habe er aber mehrere Anschläge mitbekommen. "Wenn’s geknallt hatte, kam kurze Zeit später der Anruf meiner Frau", berichtet der 39-Jährige. Für sie und seinen Sohn sei die Zeit zweifellos sehr aufreibend gewesen.

Diese Erfahrung machte auch Uwe Mainz: "Als klar war, dass es für ein Jahr nach Afghanistan geht, habe ich das als erstes mit meiner Frau besprochen. Das war nicht leicht." Für Mainz ist es der zweite Auslandseinsatz. Vor mehreren Jahren war er im Kosovo. "Aber das ist nicht vergleichbar", sagt er selbst. "Dort konnten wir uns ziemlich frei in den Ortschaften bewegen. Daran ist in Afghanistan nicht zu denken."

Und wie realistisch ist es, ein von vielen Kriegen zerrüttetes Land in einen Rechtsstaat zu verwandeln? "Das ist Arbeit für mindestens eine Generation", ist sich Uwe Mainz sicher. "Den Afghanen in wenigen Jahren Menschenrechte beizubringen, ist völlig illusionär. Wir haben nur begonnen, das um ein paar Prozentpunkte zu verändern." Wie diese Prozentpunkte aussehen können, hat Kathrin Vornholt erlebt: "Natürlich haben mich meine Schüler gefragt, wie das in Deutschland denn sei, als Frau bei der Polizei. Da haben wir auch über die Stellung der Frau in Afghanistan gesprochen. Ich glaube, da haben einige zumindest angefangen, darüber nachzudenken."

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