Erdogan rechnet mit Kritikern ab - Friedliche Gegendemo

Auf deutsche Medien und türkische Regierungskritiker hatte es Ministerpräsident Erdogan in seiner Kölner Rede ganz besonders abgesehen. In einem Punkt hielt er sich jedoch auffällig zurück.

Der Türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan (r) und seine Frau Emine bei ihrem Auftritt in Köln.

Der Türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan (r) und seine Frau Emine bei ihrem Auftritt in Köln.

Foto: Henning Kaiser

Köln (dpa) - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat bei seinen umstrittenen Auftritt in Köln die Berichterstattung in Deutschland über das Grubenunglück von Soma kritisiert. Ein Teil der deutschen Medien habe versucht, die Katastrophe für sich auszuschlachten und ihn beleidigt, sagte Erdogan am Samstag vor Tausenden Anhängern in der Lanxess-Arena. Deutsche Politiker wiesen den Vorwurf am Sonntag zurück. Parallel zu Erdogans Redeauftritt protestierten in der Kölner Innenstadt 45 000 Menschen gegen den Regierungschef aus Ankara. Nach Angaben der Polizei verliefen die Kundgebungen friedlich.

Mit Attacken gegen deutsche Politiker hielt sich Erdogan auffällig zurück. Lediglich eine Passage konnte als indirekte Kritik an Bundespräsident Joachim Gauck aufgefasst werden, der bei seinem Besuch in der Türkei Demokratiedefizite beklagt hatte. Erdogan sagte: „Wir brauchen nicht die Bestätigung eines Fremden für die Entscheidung des türkischen Volkes. Mischen wir uns bei fremden Völkern ein, wenn diese gewählt haben? Nein.“ Lobende Worte fand Erdogan für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihm nach dem Bergwerksunglück von Soma ihre Anteilnahme übermittelt und Unterstützung angeboten habe. Merkel hatte Erdogan vor der Rede öffentlich zur Besonnenheit aufgefordert.

Erdogan appellierte an die in Deutschland lebenden Türken, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Er wiederholte aber, dass dies nicht bedeuten dürfe, sich zu „assimilieren“. Die Türken könnten stolz darauf sein, was sie für die deutsche Wirtschaft geleistet hätten, sagte er. Gleichzeitig hätten sie aber auch Grund zum Stolz auf ihr Vaterland. Die heutige Türkei sei nicht mehr das Land, dass ihre Eltern oder Großeltern einst verlassen hätten, sondern selbst eine große Wirtschaftsmacht, die von keinem Außenstehenden mehr kritisiert werden dürfe.

Seine Gegner in der Türkei bezeichnete Erdogan als „illegale Gruppen“, „Provokateure“ und „Terroristen“. Er verbat sich jede Kritik an seinem Umgang mit dem Bergwerksunglück von Soma, da alles Nötige getan worden sei. Auch der Vorwurf, in der Türkei werde die Pressefreiheit eingeschränkt, sei abwegig. Wenn die Polizei mit Molotow-Cocktails angegriffen werde, müsse sie sich verteidigen, sagte Erdogan in diesem Zusammenhang.

Die 15 000 Zuhörer in der Kölner Lanxess-Arena reagierten mit Jubel. Zur selben Stunde zogen aber 45 000 Gegendemonstranten durch Köln. Sie warfen Erdogan einen autoritären Regierungsstil vor, der die Meinungsfreiheit im Land unterdrücke. Auf Plakaten forderten sie: „Stoppt den Diktator Erdogan.“ Manche skandierten „Mörder“ und „Faschist“.

Erdogan sagte in seiner Rede noch nicht, ob er am 10. August für die türkische Präsidentschaft kandidieren wird. Er forderte seine Zuhörer jedoch auf, sich an der Wahl zu beteiligen. Erstmals können auch fast 1,5 Millionen Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl, kritisierte Erdogans Auftritt. Dessen Attacken gegen deutsche Medien seien völlig unakzeptabel, sagte Strobl der „Welt am Sonntag“. „Er hat gezeigt, dass er mit der Meinungs-, Medien- und Demonstrationsfreiheit, wie wir sie verstehen, ein Problem hat.“ Grünen-Politikerin Claudia Roth sah „die schlimmsten Erwartungen erfüllt“. Erdogans Medienkritik lasse vermuten, dass er „gerne auch die Medien im Ausland kontrollieren würde, wenn er nur die Macht dazu hätte“.

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