Eine Kanzlerreise mit Hindernissen

Irrfahrt: Erst Airbus, dann Audi – aber Merkel behält immer die Ruhe.

Berlin. In Bozen kann sie sogar entspannen. Es gibt Südtiroler Teigtaschen und dazu einen guten Rotwein. Der bringt die richtige Bettschwere. Am nächsten Morgen (Sonntag) wird Angela Merkel vor den TV-Kameras behaupten: "Uns geht es wunderbar". Es ist mehr als eine höfliche Floskel. Die Kanzlerin ist erleichtert. Sie freut sich auf ihre Heimfahrt nach Berlin, die am Sonntag gegen 15 Uhr endlich beendet sein wird.

Es war die bizarrste Kanzlerreise, an die man sich erinnern kann: Auf dem Rückflug aus den USA muss Merkel wegen der Aschewolke umdisponieren. Die Kanzlermaschine fliegt notgedrungen nicht die übliche Route an Island vorbei, sondern 2000 Kilometer südlicher und 1000 Kilometer länger. Das Ziel ist nicht mehr Berlin, sondern München - zunächst. Denn der Luftraum über Frankreich wird bald gesperrt. Daraufhin entschließt sich Luftwaffen-Kapitän Oberstleutnant Wolfgang Watz zu einer Landung in Lissabon.

Der portugiesische Premier Jose Socrates eilt zum Flughafen. Wenn sie schon unverhofft da ist, kann es nicht schaden, die europäische Zahlmeisterin zu hofieren. Bei EU-Gipfeln ist er Merkels Sitznachbar. Sie können gut miteinander. Merkel ist gleichwohl beunruhigt. Lissabon ist zu weit weg. Daheim ist Wahlkampf, am Sonntag wird sie eigentlich in Polen erwartet. Gleich nach der Ankunft in Portugals Hauptstadt stellt sie am Freitag für sich drei Handlungsmaximen auf: Merkel will so nah wie möglich an Deutschland heran kommen, ihre Delegation zusammenhalten und keine Sonderrechte für sich. Sie verzichtet darauf, allein mit einem Hubschrauber weiterzufliegen. Wie hätte das ausgesehen? Auch in der Ausnahmesituation ist die Kanzlerin penibel auf ihre Außenwirkung bedacht.

Nach einer Nacht in Lissabon fliegt Merkel nach Rom, wo sie Botschafter Michael Steiner empfängt. Mit einem AudiA8, weiteren Pkw und einem Bus soll es dann weiter nach Bozen und anderntags nach Berlin gehen. Aber diese Tour folgt nur einem Gesetz. Das ist Murphys Gesetz, wonach alles, was schief gehen kann, auch schief geht. Auf der Autobahn platzt ein Reifen des Busses. Merkel hält am Standstreifen an, kann nicht helfen und fährt erst mal weiter. Sie wird gegen 22 Uhr Bozen erreichen, mehrere Stunden vor ihrer Delegation.

Merkel lebt die ganze Zeit Gelassenheit vor, und die Journalisten sind wegen der Online-Dienste rund um die Uhr beschäftigt: Selten wurden Pleiten, Pech und Pannen so minutiös verfolgt. Ein Vergnügen war es nicht: Kaum einer hatte für mehrere Tage Wäsche dabei. Gelegenheit zum Einkaufen gab es nicht. Ein Kanzler-Berater hatte die Taufe seines Kindes für Sonntag angesetzt, und ein Journalist verpasst die Konfirmation seines Sohnes. Merkel schreibt ihm ein Autogramm für den Filius. Sie macht aus jeder Situation das Beste.

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