Eine Gebrauchsanleitung zur Wahl

Erststimme, Zweitstimme, Überhang- und Ausgleichsmandate. Die wichtigsten Regeln unseres komplizierten Wahlsystems.

Düsseldorf. Die Zweitstimme — rechte Seite des Stimmzettels — ist eindeutig die wichtigere Stimme. Sie entscheidet darüber, in welcher Gewichtung die Parteien am Ende im Bundestag vertreten sind. Mit der Erststimme hingegen beeinflusst der Wähler die personelle Zusammensetzung des Bundestags.

299 der 598 Bundestagsmandate werden von den Politikern eingenommen, die in den bundesweit 299 Wahlkreisen die (relative) Mehrheit erringen. Welcher Wahlkreiskandidat über dieses Direktmandat in den Bundestag einzieht, bestimmt der Wähler also mit seiner Erststimme. Insoweit gilt Mehrheitswahlrecht: Erreicht Kandidat X von der Y-Partei auch nur eine Stimme mehr als der zweitplatzierte Kandidat Z von der F-Partei, so zieht X nach Berlin. Auf diese Weise werden also 299 der regulär 598 Bundestagssitze besetzt.

Anders als mit der Erststimme, mit der er den namentlich benannten Kandidaten wählt, stimmt der Wähler mit seiner Zweitstimme für eine Partei. Das Ergebnis, das die einzelnen Parteien hier erzielen, bestimmt darüber, wie sie prozentual im Bundestag vertreten sind (Verhältniswahl). Beispiel: Die X-Partei, die 32 Prozent der Zweitstimmen auf sich zieht, bekommt 32 Prozent der Sitze im Bundestag. Das entspricht 191 Sitzen.

Hier kommt das Erststimmenergebnis ins Spiel: Wenn für die X-Partei insgesamt 110 Direktkandidaten ihre Wahlkreise gewonnen haben, so steht ja fest, dass diese ins Parlament einziehen. Diese 110 Wahlkreissieger muss sich die X-Partei auf die ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehenden 191 Sitze anrechnen lassen. Es bleiben also noch 81 Sitze, die an die Bestplatzierten der Landesliste der X-Partei gehen.

Bei der Sitzverteilung nach den Zweitstimmen werden aber nur die Parteien berücksichtigt, die bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht oder in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat gewonnen haben.

Die eigentlich vorgesehene Zahl von 598 Bundestagssitzen kann sich erhöhen. Das kommt so: Hat eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissieger als ihr dort Bundestagssitze zustehen, bekommt sie entsprechend zusätzliche Sitze: das sind die sogenannten Überhangmandate. Weil die Parteien so Sitze erhalten können, die nicht das Zweitstimmen widerspiegeln, wird dieser Vorteil durch so genannte Ausgleichsmandate zugunsten der anderen Parteien wieder ausgeglichen. So entspricht dann die Verteilung der Sitze wieder dem Parteienproporz, den der Wähler durch die Vergabe seiner Zweitstimme bestimmt hat. Experten gehen davon aus, dass es im nächsten Bundestag weit mehr als 600 Abgeordnete geben wird.

Auf jeder Hälfte des Stimmzettels darf maximal ein Kreuz gemacht werden. Mehrere Kreuze auf der linken oder der rechten Seite des Stimmzettels führen zur Ungültigkeit der jeweiligen (Erst- oder Zweit-) Stimme. Erst- und Zweitstimme können gesplittet werden, sie müssen also nicht derselben Partei beziehungsweise dem Vertreter dieser Partei gegeben werden. So kann man etwa die Erststimme für einen Wahlkreisbewerber abgeben, weil man ihn persönlich im Bundestag sehen will. Und mit der Zweitstimme dann für die Landesliste einer anderen Partei stimmen.

Auch möglich: Man beschränkt sich darauf, nur eine Stimme, sei es die Erst- oder die Zweitstimme, abzugeben. In diesem Fall zählt die jeweils nicht abgegebene Stimme als ungültig.

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