Ein 37-jähriger Jurist als Erhard-Enkel: Geht das gut?

Die Opposition wirft dem neuen Bundeswirtschaftsminister Guttenberg fehlende Qualifikation vor. Bei genauerem Hinsehen eine fadenscheinige Kritik.

Berlin. Karl-Theodor zu Guttenberg war noch nicht einmal im Amt, da wurde er bereits als unfähig abgestempelt: Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten hole die CSU einen "Azubi" ins Amt des Bundeswirtschaftsministers, wetterte Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Und FDP-Vize Rainer Brüderle ätzte, offenbar genüge es der Union, dass ein Wirtschaftsminister "lesen und schreiben" könne. Deutschland brauche - so die Forderung - einen neuen Ludwig Erhard.

Dabei wird allerdings übersehen, dass in der Politik nicht in erster Linie Fachkenntnisse darüber entscheiden, wer welches Amt bekommt - und das nicht erst seit Karl-Theodor zu Guttenberg. Ginge man danach, so müsste eigentlich Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Ärztin Gesundheitsministerin sein. Und: Dürfte dann eine Elektrotechnikerin wie Ilse Aigner (CSU) kein Ministeramt übernehmen?

Die Zusammenstellung eines Kabinetts ist ein komplizierter Vorgang. Da geht es zunächst um die Aufteilung der Ressorts zwischen den Parteien - immerhin drei in der aktuellen Regierung. Bei der Besetzung der Ressorts geht es dann auch um den Proporz: Sind ausreichend Frauen im Kabinett vertreten, finden sich die Regionen des Landes wieder? Und es geht um Parteitaktik: So ist unübersehbar, dass CSU-Chef Horst Seehofer mit Guttenberg einen Mann nach Berlin schickte, der das Profil der Partei auf Bundesebene schärfen und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Paroli bieten soll.

Sind nun alle Minister heutzutage Fehlbesetzungen? Nein, denn Fachwissen ist zwar willkommen, kann aber erlernt werden und ist auch im Ministerium vorhanden. Gefragt sei vielmehr Verhandlungsgeschick, weil am Ende jedes politischen Prozesses ein Kompromiss stehen müsse, sagt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Philipp Erbentraut. Und solch eine Fähigkeit lerne man nicht auf einer Universität.

In der heutigen Mediendemokratie müssen Minister zudem Kommunikationsprofis sein - Guttenberg gilt als rhetorisches Talent, ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Michael Glos. Auffallend ist zudem, dass viele Politiker Juristen sind: Weil es ihnen leichter fällt, neben der politischen Karriere auch die berufliche zu verfolgen und sie insbesondere bei Gesetzgebungsverfahren von ihren Kenntnissen profitieren.

Nicht das fehlende Fachwissen, sondern die politischen Defizite sind es, die Quereinsteigern regelmäßig Probleme bereiten. Ein Lied davon singen kann wahrscheinlich der Steuerrechtler Paul Kirchhof, der 2005 Schatten-Finanzminister der Union war. Der versierte Fachmann wurde im Wahlkampf zerrieben - auch, weil er nie die Kunst des politischen Überlebens gelernt hatte.

Hinter der Diskussion um die Qualifikation Guttenbergs steht nicht zuletzt die Frage nach der Wirtschaftskompetenz der Union. Immer lauter wird die Kritik insbesondere in der CDU, dass die Partei in der Großen Koalition nach links gerückt sei, sich kaum noch von der SPD unter-scheide - und daher Wählerstimmen an die FDP verliere. Viele hoffen, dass Guttenberg das Loch, das der Wirtschafts- und Finanzexperte Friedrich Merz (CDU) hinterlassen hat, füllen kann - auch Merz ist Jurist.

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