Die vagen Prognosen der Steuerexperten

Analyse: Der Arbeitskreis Steuerschätzung fürchtet historische Einnahmeausfälle.

Berlin/Bad Kreuznach. Bevor sich die etwa 35 Steuerschätzer am Dienstag zu ihrem dreitägigen Konklave ins Finanzamt Bad Kreuznach zurückzogen, machten Worte wie "dramatisch" oder "einmalig" die Runde. Denn am Donnerstag wird der Schätzerkreis einen Einnahmeausfall vorhersagen, wie es ihn in der mittlerweile 54-jährigen Geschichte des viel beachteten Gremiums wohl noch nie gab. Der könnte bei bis zu 350 Milliarden Euro bis 2013 liegen.

Seit dem Start des Arbeitskreises Steuerschätzung wird allerdings über die Treffsicherheit der für die Politik wichtigen Prognosen gestritten. Zwischen 1994 und 2003 wurde das Schätzergebnis in vier Jahren übertroffen und in sechs unterschritten.

Selten kommt so viel Kompetenz zusammen wie bei den beiden Jahrestreffen der Experten von Bund, Ländern und Kommunen, Forschungsinstituten und Bundesbank sowie Statistik-Amt. Dabei sind die Schätzer für die ungenauen Vorhersagen kaum verantwortlich zu machen. Hängen sie doch von den Vorgaben der Politik und deren jeweiliger Wachstumserwartung für die Wirtschaft ab. Senkt die Regierung ihre Konjunkturprognose, schlägt das bei der Steuerschätzung besonders durch. Selten gab es so viel Ungewissheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung wie jetzt in der schwersten Rezession seit Kriegsende.

Nur ungern dürften sich die Schätzer an die Negativprognosen erinnern, die während der früheren Konjunkturflaute die Nachrichten dominierten. Zwischen 2000 und Mai 2005 mussten sie ihre Vorhersagen neun Mal in Folge nach unten korrigieren. Bis vergangenen November wurden die Prognosen dann regelmäßig wieder nach oben nachgebessert.

Vor einem halben Jahr wurde nach der November-Steuerschätzung erleichtert vernommen, dass die Wirtschaftskrise weniger auf die Staatskassen durchschlagen könnte als befürchtet. Seither fielen die Konjunkturprognosen im Wochentakt aber immer düsterer aus. Auch die Milliarden-Hilfspakete, die zusätzliche Steuerausfälle zur Folge haben, waren noch nicht berücksichtigt.

In der Debatte um die Treffsicherheit wird häufig übersehen, dass selbst bei Hiobsbotschaften die Steuereinnahmen steigen - mal mehr oder weniger als erwartet. Seit 1950 musste der Staat nur vier Mal einen Rückgang hinnehmen. Ende 2009 könnte nun ein fünftes Mal hinzukommen.

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