Die Griechen fliehen vor der Krise

Viele junge Hochqualifizierte sehen keine Zukunft mehr. Mit einfacher Arbeit auf dem Land finanzieren sie ihr Leben.

Athen. Eine solche Zukunft hätte er für sich nie für möglich gehalten — dass er einmal auf einem staubigen, heißen Feld arbeiten würde. Doch der Börsenmakler Giannis Pantoulis ist heute Weinbauer. Vor zwei Jahren packte er seine Familie und sein Hab und Gut in einen Lkw und zog zurück in das Dorf seines Vaters im Norden Griechenlands. Er habe das Platzen der griechischen Schuldenblase kommen sehen und rechtzeitig aussteigen wollen, sagt Pantoulis. Heute schwitzt der 40-Jährige in seinem Weinberg statt über Aktienkursen.

„Anfangs dachten alle, ich sei verrückt“, erzählt er. Tatsächlich sei der Neuanfang hart gewesen. „Aber jetzt sehen viele, dass es in den großen Städten nichts für uns gibt. Unsere Politiker haben uns hängen lassen.“ Auch viele andere wollten jetzt weg aus Athen, Thessaloniki oder Patras: „Die Situation ist hoffnungslos.“

Die Fakten sind deprimierend: Die Lebenskosten für die Griechen steigen, doch Löhne und Pensionen sind immer neuen Kürzungen unterworfen. Die Arbeitslosigkeit erreicht Höchststände (siehe Kasten). Kein Wunder, dass die Anti-Schulden-Maßnahmen der Regierung auf immer größeren Widerstand in der Bevölkerung treffen.

Fast 60 Prozent der Griechen seien gegen das neueste EU-Hilfspaket, heißt es in einer kürzlich von der Tageszeitung „To Vima“ veröffentlichten Umfrage. Die EU-Maßnahmen verletzten die Souveränität Griechenlands, das Land gerate immer stärker in den Würgegriff internationaler Geldgeber. Und das Schlimmste: Besserung ist nicht in Sicht.

Eine Rückkehr aufs Land erscheint da als ein Ausweg. Fast 60 000 Griechen taten diesen Schritt in den vergangenen zwei Jahren. Damit kehren sie einen jahrzehntelangen Trend um. Die Vorfahren der Neu-Bauern hatte es in die Städte gezogen, viele ließen damals Grundbesitz zurück. Dorthin treibt es viele nun.

Die 30-jährige Marketingexpertin Evi Papadimitriou züchtet neuerdings Schnecken. „Ich konnte es mir nicht länger leisten, in Athen zu wohnen, und meine Familie hatte dieses lange aufgegebene Stück Land“, erzählt sie. Große Erwartungen hat sie nicht: „Falls ich es schaffe, davon zu leben, bin ich schon glücklich.“

Strand statt Büro: Der 22 Jahre alte Computerfachmann Mammas Pashalis taucht im Mittelmeer nach Schwämmen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Im gelernten Beruf hat er keine Arbeit gefunden, jetzt hilft er seinem Vater, der am Strand von Rhodos einen kleinen Stand betreibt.

Andere wollen weiter weg. Vor Jahrzehnten waren es Hunderttausende Arbeiter und Bauer, die aus Griechenland vor allem in die USA und nach Australien zogen. Heute sind es vor allem junge, gebildete Griechen, die das Land verlassen. Nicht zuletzt fliehen sie vor der Schuldenlast, die die Elterngeneration angehäuft hat.

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