Dick Cheney rechnet mit Bush ab

Die Republikaner sind entsetzt: Ausgerechnet der ehemalige Vizepräsident fällt seinem früheren Chef in den Rücken.

Washington. Dick Cheney, der sich acht Jahre lang an der Seite von Ex-Präsident George W. Bush durch unerschütterliche Loyalität auszeichnete, wird nun zum Verräter - so sehen es zumindest die Republikaner. Bush sei "weich" und gegen Ende seiner Amtszeit nur noch "durchschnittlich" gewesen, erklärte der ehemalige Vizepräsident. Weitere Einzelheiten will der 68-Jährige bald in seinen Memoiren verraten.

Um die Beziehung zwischen Bush und seinem Stellvertreter im Weißen Haus ranken sich seit Jahren abenteuerliche Anekdoten. Wenn der Präsident auf Fragen ausländischer Staatsgäste nach den Hintergründen des Irakkriegs keine Antwort wusste, soll ihm Cheney Schlagworte ins Ohr geflüstert haben. "Mission erfüllen, die Terroristen besiegen, das Vaterland schützen, Herr Präsident" erinnerte die Nummer zwei in der US-Regierung den Führer der freien Welt, wie er sich zu rechtfertigen habe.

Zur Cheney-Doktrin gehörte zudem eine eiserne Regel: Niemals solle sich der Präsident für etwas entschuldigen, niemals einräumen, dass er etwas hätte anders machen sollen. Kritiker nannten jenen Mann, der bereits unter George Bush senior als Verteidigungsminister gedient hatte, "das Sprachrohr des Präsidenten." Als sicher galt jedenfalls, dass der enge Freund des Bush-Clans, der als früherer Chef der Rüstungsfirma Halliburton bereits große Geschäfte mit Bushs Ölunternehmen abgeschlossen hatte, um keinen Preis den Ex-Präsidenten verraten würde.

Nun aber ist es ganz anders gekommen. Nachdem er sich ein halbes Jahr lang der Verteufelung der neuen Regierung unter Barack Obama widmete, den er als "gefährlichen Ultralinken" beschimpfte, rechnet Cheney jetzt ausgerechnet mit seinem Parteifreund George W. Bush ab.

In Gesprächen mit früheren Regierungsmitgliedern, Diplomaten und politischen Experten, die allesamt in seinen Memoiren zitiert werden sollen, packte der Ex-Vizepräsident aus. Während der letzten Jahre seiner Amtszeit, so ein Teilnehmer an den Gesprächen, sei Cheney "frustriert gewesen über Bushs zunehmende Unabhängigkeit." Cheney habe die Bereitschaft des Präsidenten, Fehler einzusehen, "als Zeichen moralischer Schwäche gewertet." Unklar ist die Motivation hinter der plötzlichen Kehrtwende des früheren Vizepräsidenten. "Für Cheney handelt es sich in erster Linie um eine Frage des Prinzips" erklärt ein früheres Kabinettsmitglied, das nicht namentlich genannt werden wollte. Ihn habe während der zweiten Amtsperiode vor allem gestört, dass Bush als Reaktion auf internationale Kritik die Geheimknäste des CIA stillegen ließ, sich von Folter distanzierte und gegenüber der Regierung in Teheran einen versöhnlicheren Ton anschlug.

Für den in Ungnade gefallenen Ex-Präsidenten könnte es sich um einen Segen handeln. Denn sobald Cheneys Memoiren veröffentlicht werden, könnte Bush sogar als Sympathieträger dastehen, der sich den Manipulationen seines Stellvertreters widersetzte und selbst die Konsequenzen ausbaden musste.

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