Hintergrund Nach Rückzug von Römer: Der nächste SPD-Scherbenhaufen

Nachdem ihm die eigenen Genossen die Gefolgschaft verweigerten, gibt Römer auf. Der 71-Jährige wird auf dem Landesparteitag der NRW-SPD nicht mehr für das Amt des Schatzmeisters kandidieren und damit auch aus dem Landesvorstand ausscheiden. Sebastian Hartmann will weiterhin kandidieren.

 Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer.

Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Der bisherige Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Römer (71), wird auf dem Landesparteitag der NRW-SPD am 23. Juni in Bochum nicht mehr für das Amt des Schatzmeisters kandieren und damit auch aus dem Landesvorstand ausscheiden. Dies gab Römer seinem Bezirksverband am Dienstagabend bekannt, wie ein Sprecher der Landespartei auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte.

Allerdings nahm Römer am Mittwoch an der 24. Plenarsitzung des Landtags teil. In der Fraktion hieß es, er wolle sein Landtagsmandat wohl behalten. Selbstverständlich ist das seit Dienstag nicht mehr: Statt seines Wunschnachfolgers Marc Herter, der wie Römer dem SPD-Bezirk Westliches Westfalen angehört, wählte die Fraktion den früheren NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (Essen, Bezirk Niederrhein) mit knapper Mehrheit zum Vorsitzenden. Dies war nur mit Stimmen von Abgeordneten aus dem Westlichen Westfalen möglich — die sich somit gegen Norbert Römer stellten, der seit 2002 auch Vorsitzender des Bezirks WW war.

Sebastian Hartmann (links) will weiter Vorsitzender werden und freut sich auf die Zusammenarbeit mit Thomas Kutschaty, wogegen Norbert Römer (rechts) seine Parteiämter aufgibt. Fotos: dpa

Darauf reagierte der lange zweitmächtigste NRW-Genosse nach Hannelore Kraft am Dienstagabend prompt: Römer habe mit sofortiger Wirkung auch den Vorsitz des SPD-Bezirks Westliches Westfalen niedergelegt, bestätigte der Sprecher der Landespartei einen Bericht der „Neuen Westfälischen“ aus Bielefeld. Wie die SPD-Landesgeschäftsstelle auf unsere Anfrage weiter bestätigte, wird der SPD-Bezirk Westliches Westfalen bis zu einer Neuwahl von André Stinka geführt, der seit 2008 stellvertretender Vorsitzender des Bezirks ist. Stinka war von 2012 an bis zur Niederlage bei der Landtagswahl 2017 Generalsekretär der NRW-SPD.

Damit ist der mutmaßliche Plan von Nicht-mehr-Fraktionsboss Norbert Römer und Demnächst-nicht-mehr-Parteichef Mike Groschek zur Machtübergabe per Ansage von oben krachend gescheitert — und mit ihm die Vorstellung, die Zukunftsaufstellung der NRW-SPD ließe sich nach den Größenverhältnissen ihrer vier Bezirke Westliches Westfalen (Regierungsbezirke Münster und Arnsberg), Niederrhein (Regierungsbezirk Düsseldorf), Mittelrhein (Regierungsbezirk Köln) und Ostwestfalen-Lippe (Regierungsbezirk Detmold) organisieren.

Nach dem Prinzip des Machterhalts wollte Römer seinen politischen Ziehsohn Marc Herter zum Fraktionsvorsitzenden machen. Weil der Bezirk Westliches Westfalen dazu Verbündete gegen Thomas Kutschaty und die Niederrheiner brauchte, lautete die Lösung: Einer vom Bezirk Mittelrhein soll Parteivorsitzender werden. Das hätte der Landtagsabgeordnete und Kölner SPD-Fraktionschef Martin Börschel sein können, der aber erst selbst mit dem Fraktionsvorsitz liebäugelte und sich dann entschied, Chef der Kölner Stadtwerke zu werden — was nun ebenfalls scheitern könnte. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) besteht laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf einem transparenten Auswahlverfahren. Börschel wollte den 500 000-Euro-Job ohne Ausschreibung auf Beschluss des Aufsichtsrats übernehmen, dessen Vorsitzender er ist.

So fiel die Wahl auf der Suche nach irgendeinem Mittelrheiner für den Parteivorsitz schließlich auf den weitgehend unbekannten Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann, der auch Bezirksvorsitzender der Mittelrheiner ist. Nachdem die Wahl von Herter nun geplatzt ist und Römer als Strippenzieher die Brocken hingeworfen hat, gibt es für diese Kandidatur eigentlich keinen Grund mehr.

Hartmann hält jedoch an ihr fest, wie er unserer Zeitung auf Nachfrage bestätigte: „Am 23. Juni trete ich auf dem Landesparteitag an, um zum Vorsitzenden der NRW-SPD gewählt zu werden. Am 27. April stelle ich mein Programm und mich dem Landesvorstand der NRW-SPD vor. Auf die Zusammenarbeit im Falle meiner Wahl mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden Thomas Kutschaty freue ich mich, um gemeinsam eine schlagkräftige Partei an der Seite einer starken Landtagsfraktion in erfolgreiche Wahlen zu führen.“

Der Plan könnte ein jähes Ende finden, falls Thomas Kutschaty sich entscheiden sollte, nach dem Fraktionsvorsitz auch für den Parteivorsitz zu kandieren — was Sinn machen würde, wenn er 2022 gegen Armin Laschet antreten will.

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