Der Kern von Hartz IV steht auf dem Prüfstand

Karlsruher Richter entscheiden am Dienstag, ob die Höhe der Leistungen zum Leben ausreicht.

Karlsruhe. Während die Politik heftig um die Betreuung von Hartz-IV-Empfängern streitet, blicken die Betroffenen voller Hoffnung nach Karlsruhe. Dort will das Bundesverfassungsgericht am Dienstag sein Urteil zu den Regelsätzen für Kinder verkünden - und zugleich erstmals grundsätzlich Stellung beziehen zum "Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum".

Damit könnte das Urteil sogar die gewaltigste Sozialreform in der deutschen Nachkriegsgeschichte kippen - und den hoch verschuldeten Staat weitere Milliarden kosten. Es geht um den Kern der Anfang 2005 gestarteten Hartz-IV-Reform - die Leistungen.

Im "Stern" hatte einst eine der drei Kläger-Familien aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen ihren Alltag mit Hartz IV geschildert. Inzwischen scheuen die Betroffenen weitgehend die Öffentlichkeit. Es habe zahlreiche Anfeindungen gegeben, berichten die Familien. Als "Schmarotzer" seien sie beschimpft worden, die Kinder würden schief angeschaut.

Der Vater der hessischen Kläger-Familie ist zugleich Vorsitzender des Sozialvereins ARCA Soziales Netzwerk. "Hartz IV bedeutet, dass man am Hungertuch nagt", sagt Thomas Kallay als dessen Vertreter. "Es ist traurig und es tut weh", beschreibt der gelernte Fachjournalist für Computertechnik seine Erlebnisse in dem ehrenamtlichen Job.

Der Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene liegt bei 359 Euro monatlich, anfangs waren es 345 Euro. Kinder erhalten - gestaffelt nach dem Alter - weniger: 215 Euro gibt es für Kinder unter 6 Jahren (60 Prozent des Regelsatzes), 251 Euro für Kinder unter 14 Jahren (70 Prozent). Insgesamt rund 1,7 Millionen Kinder erhalten diese Beträge.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet nun, ob die Leistungen für Kinder deren tatsächlichen Bedarf abdecken. Weil die Sätze lediglich durch einen pauschalen Abschlag auf die Hartz-IV-Beträge für Erwachsene festgelegt worden sind, halten das Bundessozialgericht in Kassel und das hessische Sozialgericht die Regeln für verfassungswidrig. Sie haben Karlsruhe die Klagen der Familien vorgelegt.

"Gegen Ende des Monats ab dem 20. wird das Geld regelmäßig knapp", berichtet Anwalt Martin Reucher von seinen Dortmunder Mandanten. "Gespart wird an dem, was man gesellschaftliche Teilhabe nennt: Mal ins Kino gehen, ins Hallenbad oder in den Zirkus." Selbst die 7,50 Euro Monatsbeitrag für den Fußballverein des Neunjährigen seien "nicht locker möglich".

Dinge, die aus Sicht fast aller Bundesbürger (90 Prozent) nach einer Forsa-Umfrage aber durch Hartz IV abgedeckt werden sollten. Am Dienstag wird sich nun zeigen, ob auch nach Ansicht der Karlsruher Richter eine neue Grundlage für die Berechnungen nötig ist.

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