Der Feind im Herzen Afghanistans

Anschlagsserie Taliban-Kämpfer töten in Kabul mindestens 26 Menschen – einen Tag vor dem Besuch von Obamas Sondergesandten.

Kabul. Richard Holbrooke ist mit fast aussichtslos erscheinenden Situationen bestens vertraut. Der Architekt des Dayton-Abkommens war 1995 maßgeblich am Ende des Bosnien-Krieges beteiligt.

In seiner neuen Funktion als Sonderbeauftragter von US-Präsident Barack Obama für Afghanistan und Pakistan sagte Holbrooke auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor wenigen Tagen, er habe noch nie eine so schwierige Lage wie in dieser Region vorgefunden.

Die schlimmsten Befürchtungen des 67-Jährigen dürften sich am Mittwoch bestätigt haben: Mit bislang beispiellosen Angriffen verwandelten Selbstmordkommandos der Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul in ein Schlachtfeld - einen Tag vor dem geplanten Besuch Holbrookes. Mindestens 26 Tote forderten die Angriffe.

Nach Angaben des Innenministeriums griffen fünf Taliban-Kämpfer das Justizministerium an, vier Kämpfern gelang es, in das Gebäude einzudringen. Dort schossen sie wahllos um sich und zündeten Handgranaten, dann lieferten sie sich ein dreistündiges Feuergefecht mit Sicherheitskräften.

Ein weiterer Attentäter wurde im Bildungsministerium erschossen, bevor er seine Sprengstoffweste zünden konnte. Der siebte Angreifer sprengte sich am Tor der Gefängnisbehörde in die Luft und ermöglichte seinem Komplizen, in dieses Gebäude einzudringen und dort seine Sprengstoffweste zu zünden. Alle acht Angreifer wurden getötet.

Ziel des "Feindes" sei es gewesen, zu zeigen, dass er massenhaft Menschen in Kabul töten könne, sagte der Chef des afghanischen Geheimdienstes NDS, Amerullah Saleh. Genau das ist den Aufständischen gelungen. Innenminister Mohamad Hanif Atmar lobte trotzdem, die Sicherheitskräfte hätten die Lage schnell unter Kontrolle gebracht.

Andernorts, so Atmars Anspielung auf die Terrorserie im indischen Bombay vom November, könnten Angriffe Tage andauern. Was Hanif nicht erwähnte: Anders als seine Regierung befindet sich die in Neu Delhi nicht im Krieg.

Die koordinierten Attacken reihen sich ein in die spektakulären Operationen der Taliban im vergangenen Jahr. Im Januar 2008 griffen Aufständische das einzige Fünf-Sterne-Hotel des Landes an, im Serena-Hotel in Kabul hielt sich gerade der norwegische Außenminister auf.

Im April eröffneten Taliban das Feuer auf eine Militärparade in der Hauptstadt, an der Präsident Karsai teilnahm. Im Sommer stürmten Aufständische das Gefängnis von Kandahar und befreiten hunderte Gesinnungsgenossen. Die markigen Reden besonders von US-Offizieren über eine bevorstehende Niederlage der Taliban gehören schon lange der Vergangenheit an.

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