Debatte um Afghanistan-Einsatz flammt wieder auf

Wie lange muss die Bundeswehr noch in Afghanistan bleiben? Diese Frage wird nun wieder stärker diskutiert. Denn die Bundeswehr soll an der Erstellung von Fahndungslisten beteiligt gewesen sein, auf Basis derer US-Spezialkräfte hochrangige Taliban offenbar gezielt töten.

Kabul/Berlin (dpa). Nach der Veröffentlichung geheimer US-Militärakten flammt in Deutschland die Debatte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wieder auf. Der Grünen-BundestagsabgeordneteHans-Christian Ströbele bekräftigte am Sonntag, die Bundeswehr müsseso schnell wie möglich aus dem Land am Hindukusch abziehen. BerlinsInnensenator Erhart Körting (SPD) schrieb in einem Beitrag für den„Spiegel“: „Wir müssen auch dann mit dem Rückzug beginnen, wennunsere Ziele noch nicht vollständig erreicht sind.“

Unterdessen berichtet der „Spiegel“, dass US-Elitesoldaten mindestens einen Taliban-Kommandeur mit Hilfe deutscher Informationen gezielt töteten. Die Bundeswehr habe Qari Bashir zur Gefangennahme auf die NATO-Fahndungsliste gesetzt. Der Mann sei dann im November 2009 bei einer mehrtägigen Operation nordwestlich von Kundus von US- Spezialkräften getötet worden. Bashir habe rund 50 Kämpfer unter seinem Befehl gehabt.

Bei der Operation seien neben Bashir etwa 130 Menschen ums Leben gekommen, nach Angaben der US-Armee alles Taliban.Angesichts dieser Informationen forderte Ströbele die Bundesregierung auf, den Bundestag und alle Abgeordneten „endlich wahrheitsgemäß und vollständig“ über den Einsatz informieren. Die geheime Unterrichtung der Verteidigungs-Obleute der Fraktionen reiche nicht aus.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte den „Spiegel“-Bericht am Wochenende nicht kommentieren und verwies auf dieÄußerungen der Bundesregierung vom Mittwoch. Da hatte ein Sprechervon Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)eingeräumt, dass deutsche Soldaten an der Erstellung von NATO-Fahndungslisten beteiligt sind, die in ISAF-Operationen -möglicherweise mit gezielten Tötungsabsichten - münden können.Deutschland selbst schreibe die Personen nur zur Gefangennahme aus.

Laut „Spiegel“ haben die Deutschen mindestens 13 Personen auf dieListe setzen lassen. Davon seien zwei wegen fehlender neuer Hinweisewieder gestrichen worden - zwei weitere seien festgenommen worden.„Insgesamt stehen aktuell noch sieben von Deutschland nominierteTaliban auf der NATO-Liste“, berichtet das Magazin. Darunter sei auchAbdul Rahman, der Anfang September nahe Kundus die Entführung zweierLastwagen angezettelt habe, die dann auf deutsche Anforderung hinbombardiert worden seien.

Bei dem Luftschlag waren bis zu 142Menschen getötet oder verletzt worden, darunter viele Zivilisten.Das Magazin bezog sich bei seiner Berichterstattung auf dieüberwiegend geheimen US-Dokumente, die kürzlich auf der WebsiteWikileaks im Internet veröffentlicht worden waren. Sie enthalten auchInformationen über die US-Task Force 373, der im Einzelfall diegezielte Tötung von Taliban erlaubt sein soll. Die Task Force ist imdeutschen Lager in Masar-i-Scharif und damit im deutschenZuständigkeitsgebiet des internationalen ISAF-Einsatzes stationiert.

In Afghanistan sind derzeit rund 4590 deutsche Soldaten im Einsatz. Der Bundestag hatte die Obergrenze im Februar von 4500 auf maximal 5350 Soldaten erhöht. Die Verlängerung des Mandates steht im ersten Quartal 2011 an. Bei jüngsten Anschlägen in Afghanistan wurden mindestens neun Menschen.

So riss ein Selbstmordattentäter in Kundus- Stadt den Chef einer regierungstreuen Stammesmiliz und einen Polizisten mit in den Tod. In der Provinz Baghlan wurde ein deutscher Soldat bei einem Angriff von Aufständischen verletzt.

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